Der letzte sanfte Fotowalk mit Maurilio

Eine Story von Raffaello Minuzzi
14.11.2023

In dieser Story

Menschen haben mir oft bestätigt das es kompliziert sei einen anderen Zugang zu seinen Eltern zu bekommen als immer wieder aus der Position des Kindes aufstehen zu müssen. Oft findet man sich schon mit den ersten Worten, also schon bei der Begrüßung im alten Schema.
Man wird begrüßt und ist schon wieder 6 Jahre alt.

In einer solchen Situation schenkte mir mein Vater seine zweite Nikon F2, mit den Worten: „sei vorsichtig damit der Verschluss ist ein bisschen kaputt aber für Dich reicht es“. Gleichzeitig erklärte er mir diese Kamera sei ein Klassiker und ich solle sie nicht kaputt machen.
Dazu bekam ich ein 50mm Objektiv. Ich freute mich sehr und fühlte mich irgendwie klein mit der Kamera vom Vater.
Zu der Zeit machte ich gerade ein Praktikum in Hamburg bei PPS (F.C. Gundlach) und war auf dem Sprung Fotoingenieurwesen in Köln an der FH zu studieren. Natürlich hatte ich schon einen Fotoapparat und seit Jahren fotografiert. Auch diesen hatten mir meine Eltern geschenkt (eine kleine Rollei). Mein Vater war Künstler und Fotograf und immer sehr mit sich selbst und seiner Kunst beschäftigt. Bei jedem mal wo wir uns und der Zeit trafen fragte er mich „was ich eigentlich machen würde?“, was ich jedes Mal zu erzählen begann. Meine Berichte wurden dann immer nach wenigen Worten durch sein Väterliches aber schon leicht abwesendes „aha“ ausgebremst, um dann von Ihm durch spontane Themenwechsel gestoppt zu werden. Zack war man wieder 6 jähre alt, nachdem man gerade davon berichtet hatte, wie man mit der Fachkamera im Kurs des Studiums interessante Stillleben aus verfaultem Obst inszeniert hatte… Ich wurde die Kindrolle nicht los, egal was passierte.
Aus einer Art Protest heraus hörte ich auch privat auf zu fotografieren und legte die Ausrüstung ein paar Jahre in einem Koffer auf dem Dachboden ab. Irgendwann wurden unsere Treffen seltener, ich war sehr mit meinem Leben beschäftigt…wollte kein Kind mehr sein, bis ich ca. 30 Jahre alt war.
Irgendwann fiel mir auf das ich es vermisste, meinen Vater und auch die Fotografie.
Ich schlug meinem Vater daher vor, das wir und jedes Jahr im Frühling nur zu zweit für eine gemeinsame Woche im Ferienhaus Italien treffen könnten.
One on one, im Urlaub. So wollte ich meinen Vater nochmal neu kennenlernen und er freute sich darauf.
So begannen wir eine Tradition die wir dann ca. 20 Jahre lang pflegten.
Wir gingen dabei zusammen essen, arbeiteten im Garten und fuhren durch die Toskana um zu fotografieren.
Eine Zeit lang fotografierte nur mein Vater mit seinen neuesten Digitalkameras (die aus der schlimmen 1-12 Megapixel Zeit).
Ich fotografierte sporadisch und noch analog, weil ich es absurd fand in einer Auflösung unter der eines S/W-Filmes zu fotografieren.
Als dann die ersten Spiegellosen Systemkameras aufkamen, war ich angefixt. Während mein Vater passend zu seiner Leica auf dem „Lumix Trip“ war, suchte ich mir die Sony Alpha 7 um digital ordentlich neu zu starten. Parallel zum Austausch über die „neue digitale Fotografie“ war auch unsere Beziehung auf eine schöne Weise erwachsen und gleichberechtigt geworden. Wir sprachen viel über unsere Geschichte und machten jedes Jahr unsere Fotoausflüge (Fotowalks) und saßen zusammen bei Wein und Leckereien. In den letzten Jahren fing ich auch an meinen Vater zu portraitieren. Um die Momente einzufangen in denen er ganz da oder ganz in Gedanken versunken war.
Im Jahr 2020 wurde mein Vater dann leider so krank das er nur noch schlecht laufen konnte und so wurden unser Ausflüge in dem Jahr kürzer und gemütlicher. Im Jahr 2021 konnte mein Vater nicht mehr laufen und verstarb dann schließlich im Sommer des selben Jahres.
Dieses Foto aus einem unserer letzten gemeinsamen Ausflüge, zeigt seinen typischen nachdenklichen Moment, den ich schon als Kind von ihm kannte.
Wir hatten von dieser Bank aus einen schönen Blick über die Weinberge in der Gegend.
Dort aßen wir ein Panino und mein Vater rauchte eine seiner 3 schusselig gedrehten Mini-Zigaretten pro Tag.
Das andere Bild ist in der Nähe von Volterra entstanden.
Dort gefiel uns immer das partielle Licht bei Wolken auf den Feldern.

Autor:in
Raffaello Minuzzi
Prokurist / ehemals Schallplattenladenbesitzer / Hobbyfotograf aus Hamburg
Deutsch Italienischer Hobbyfotograf und Musiksammler
Deutsch Italienischer Hobbyfotograf und Musiksammler

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Diskussionsbeiträge (1)

22.11.2023, 06:56 Uhr
Verena Hofmann
22.11.2023, 06:56 Uhr
Eine sehr schöne Hommage an den Vater!
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