Bokeh und der erste Verschlussvorhang

Die meisten Kameras ohne Spiegel bieten die Option zwischen mechanischem und elektronischem Verschluss zu wechseln. Dazu kommt dann meist auch noch die Option den elektronischen ersten Verschlussvorhang (Electronic Front-Curtain Shutter) zu aktivieren. In diesem Beitrag erkläre ich, was das ist und wo die Vor- und Nachteile liegen.

Der Mechanische Verschluss ist in Wirklichkeit… zwei Verschlüsse. Sony erklärt das hier. Das kann man leicht selbst prüfen: Mechanischen Verschluss aktivieren, im S-Modus auf 2 Sekunden Belichtungszeit gehen und auslösen: Man hört zwei Verschluss-Geräusche.

Interessante Information am Rande: Bei einer Kamera ohne Spiegel muss der Verschluss offen sein, um ein Bild anzuzeigen. Wird dann ein Foto erstellt, so muss der Verschluss zunächst geschlossen werden, damit er für die Belichtung kurz geöffnet wird.

Eigentlich ist dieser Verschluss die beste Lösung, er hat aber wesentliche Probleme:

  • Die Verschlusszeit kann nicht beliebig kurz werden (meist maximal 1/4.000 oder 1/8.000).
  • Der mechanische Verschluss kann eine Erschütterung auslösen und zu unscharfen Bildern führen.
  • Ausserdem gilt: Mechanische Teile gehen irgendwann kaputt.

Der elektronische Verschluss hingegen kann extrem kurz sein (die Fuji X-H2 hat 1/180.000) und da sich nichts bewegt gibt es auch weder Verschleiss, noch Erschütterungen. Statt dessen kann es aber zu Streifen durch Kunstlicht kommen und der Rolling Shutter Effekt kann auftreten.

Der 1. elektronischer Verschlussvorhang ist eine Mischung. Hier ist der erste Verschluss elektronisch, der zweite mechanisch. Auch das kann man leicht selbst ausprobieren (s. o.). Dadurch

  • tritt weniger Erschütterung auf
  • wird weniger Material verschlissen
  • kann das Bokeh beeinflusst werden (s. u.)
Bokeh mechanischer VerschlussBokeh 1. elektronischer Verschlussvorhang

Bokeh mechanischer / Bokeh 1. elektronischer Verschlussvorhang

Bokeh und 1. elektronischer Verschlussvorhang

Immer wieder liest man, dass der 1. elektronische Verschlussvorhang das Bokeh verschlechtert und das stimmt tatsächlich… ein wenig. In der Praxis wird man das kaum bemerken, aber wer es testet wird leichte Unterschiede finden. Das obige Beispiel zeigt genau das: Wenn man genau hinsieht, findet man winzige Unterschiede. Geht man in den Lautlos-Modus, so ändert sich das Bokeh noch mal (minimal).

Im Lautlos-Modus erzeugt Kunstlicht, wie hier deutlich zu sehen, Streifen. Manche Kameras bieten die Option, das bei der Aufnahme zu reduzieren.

Elektronischer Verschluss erzeugt Streifen im Foto
Elektronischer Verschluss erzeugt Streifen im Foto
Das Ventilator-Beispiel zeigt den Unterschied zwischen Lautlos-Modus (elektronischer Verschluss) und mechanischem Verschluss. Durch das zu langsame Auslesen des Sensors wird der Rotor verzerrt dargestellt.
Mechanischer Verschluss ohne Rolling ShutterLautlos-Modus Sony führt zu Rolling Shutter

Fazit: Ausprobieren und Ignorieren?

Den Sachverhalt sollte man als Fotograf kennen und im Hinterkopf behalten. In vielen Fällen wird man mit dem reinen mechanischen Verschluss am besten fahren. Sobald die Belichtungszeit etwas länger wird, ist der Wechsel in den Lautlos-Modus aber evtl. die bessere Wahl.

Noch nicht kompliziert genug? Manche Kameras wechseln im Lautlos-Modus von 14 Bit auf 12 Bit, um Rolling Shutter zu reduzieren. Dadurch sinkt dann aber evtl. der verfügbare Dynamikumfang.

Avatar-Foto
Stephan Wiesner
12.09.2022
Du bist interessiert an neuen Equipment?
Jetzt Angebot mit Bestpreis-Garantie sichern.