Zelt in der Nacht fotografieren – So gelingt es


Zelt in der Nacht fotografieren
Zelt in der Nacht fotografieren

“Kristina?” Pause. “Kristiiinaaaa?” Ich stehe im Sturmwind auf 2400m neben dem Zelt von Kristina und einer Freundin. Die beiden sind wohl schon eingeschlafen, während ich draussen rumlaufe und Fotos von den beleuchteten Zelten mache. “Häh?” kommt es schliesslich verschlafen aus dem Zelt. “Ihr könnt jetzt die Lampe ausmachen.” Als Reaktion erhalte ich nur ein Grunzen. “Morgen früh um vier versuche ich es noch mal. OK?” Pause. “Ja, OK” kommt es schliesslich aus dem Zelt und ich habe ein wenig ein schlechtes Gewissen. Dann krieche ich endlich auch selbst ins Bett. Ich schlafe in dem orangen Einpersonen-Zelt. Titelfoto: Sony A7 II, 55mm bei 1.6 Sekunden.

Während der Wind über uns hinwegfegt liege ich in der Höhle meines Schlafsacks. Die Kapuze über den Kopf gezogen versuche ich warm zu werden und betrachte die Bilder des Abends. “OKisch, Mist, OKIsch, Geht so, Löschen, YES!” Die Hand ballt sich zur Faust! Ein gutes Foto habe ich schon mal im Kasten! Der Wecker wird dennoch auf 01:00 gestellt. Der Mond geht um 00:12 auf und bis eins sollte es hell sein. Laut Wetterbericht wird es nicht aufklaren, aber rausgucken werde ich dennoch. Wir stehen exponiert am Rande eines Abgrunds und ich könnte das Zelt vor den hohen Bergen des Wallis fotografieren. Dafür bin ich hier, also stelle ich den Wecker! Mit einem tiefen Seufzen mache ich die Lampe aus und versuche zu schlafen.

Die perfekte Beleuchtung für ein Zelt in der Nacht

Über die Jahre habe ich viele Optionen ausprobiert, um ein Zelt optimal auszuleuchten. Zum einen muss ich die Helligkeit der Lampe variieren können und das Zelt soll möglichst gleichmässig ausgeleuchtet werden. Eine Stirnlampe geht daher nicht, sie leuchtet ja eher als Strahl. Man kann sich behelfen und z.B. mit Backpapier eine Art Diffusor basteln, um das Licht der Stirnlampe gleichmässiger zu verteilen, aber richtig gut habe ich das noch nicht hinbekommen. Auch ein Blitz funktioniert nur bedingt. Er ist meist zu hell und man braucht wieder einen gleichmässigen Diffusor. Das funktioniert – aber nur mit relativ viel Gepäck. Die beste Lampe ist eine runde Camping-Laterne. Ich verwende ein Modell von Black Diamond. Die Lampe ist nicht günstig, begleitet mich aber schon lange. Sie hat einen Dimmer und auf die ISO-Matte gestellt oder an die Decke gehängt beleuchtet sie das Zelt sehr gleichmässig.

Zelt unter Sternenhimmel fotografieren

Dein Zelt in der Nacht fotografieren – Die Belichtung

Um Dein Zelt harmonisch in der Landschaft zu belichten… muss die Landschaft beleuchtet sein. Bei einem Milchstrassen-Foto sieht man häufig ein schwarzes Bild mit dem Zelt als Lichtfleck am Boden und dann die Sterne am Himmel. Schöner finde ich es, wenn man auch sieht, wo das Zelt steht. Ein wenig Mondlicht hilft hier. Reflektierender Schnee oder ein See auch. Ein Lagerfeuer, die Blaue Stunde, es gibt viele Möglichkeiten. Je heller die Umgebung ist, desto einfacher ist es, mit nur einem Foto auszukommen. Bei einer mondlosen Nacht wird man kaum um eine Belichtungsreihe herum kommen, zu hell ist das Zelt im Verhältnis zur Umgebung. Entscheidend ist es hier, das Histogramm richtig lesen zu können und die Überbelichtungswarnungen anzuschalten. Das Foto vom Lagerfeuer z.B. hat ausgebrannte Stellen im Feuer. Das ist hier OK für mich, aber das Zelt selbst darf natürlich nicht ausbrennen!

Ich gehe so vor, dass ich mich erst um die Bildkomposition kümmere. Dann mache ich ein Testfoto mit der gewünschten Blende und einem geschätzten ISO-Wert und korrigiere anhand des Histogramms die Belichtung. Auf das Display kann man sich dabei nicht verlassen. Zum einen täuscht die Helligkeit im Dunkeln sehr und zum anderen kann man dort nicht erkennen, ob das Bild nicht Stellen hat, die zu dunkel sind (was auch immer das heisst). Das Foto hat grosse Bereiche, die einfach schwarz sind. Das ist hier gewünscht, aber dadurch erkennt man nicht mehr, dass wir unter Riesenbäumen in Kalifornien sitzen. Dagegen zeigt das Histogramm vom Wüsten-Foto deutlich, dass man die Umgebung auch noch erkennen kann.

Fazit

Ein Zelt in der Landschaft ist… ein Landschaftsfoto. Brennweite und Kameraeinstellungen können also sehr variieren. Für ein “schönes Foto” gelten die gleichen Regeln der Bildkomposition wie am Tag. Nur die Belichtung ist schwieriger – und einfacher. Denn die Belichtung des Zelts hast Du unter Kontrolle. Du kannst Dich daher auf die Umgebung belichten und dann die Helligkeit vom Zelt variieren. Wie immer in der Fotografie gilt auch hier: Das Foto wird schöner, wenn Du vor etwas schönem stehst. Ein oranges Zelt ist meist attraktiver als ein grünes und das Zelt auf dem Gletscher “spannender” als am Baggersee.

Die hier gezeigten Fotos geben ein Gefühl dafür, dass es nicht auf die Ausrüstung ankommt. Verschiedene Kameras, verschiedene Objektive und vor allem sehr unterschiedliche Einstellungen. Fotografieren lässt sich eben nicht auf ein Rezept herunterbrechen, wenn man draussen in der Natur ist.

Der Artikel zum Thema Histogramm vertieft die Thematik noch.


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Stephan Wiesner
15.11.2021
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