Kamerabedienung – das Histogramm verstehen

Das Histogramm einer Kamera ist das einzige zuverlässige Werkzeug, um eine Belichtung bereits in der Kamera bewerten zu können. Ein einfacher Test wird Dich von der Notwendigkeit überzeugen: Nimm Dir Dein Handy und ein beliebiges Foto, von dem Du der Meinung bist, dass es korrekt belichtet ist. Schau es Dir kurz an und dann dreh die Helligkeit an Deinem Handydisplay hoch/runter. Alternativ: Schau Dir das Foto bei fixer Bildschirmhelligkeit einmal drinnen und dann draussen in der Sonne an. Die Belichtung wird Dir komplett anders vorkommen. Und wenn das noch nicht reicht: Schau es Dir mal im Dunkeln an, nachdem Deine Augen sich ein paar Minuten an die Dunkelheit gewöhnt haben: Jetzt wird es Dir eher zu hell vorkommen.

Das Histogramm zeigt die Helligkeitsverteilung in einem Foto

“Und? Kommt es gut?” frage ich Anja mit klappernden Zähnen. Wir stehen im Wind auf einer Aussichtsplattform in Graubünden, Schweiz. Es ist stockfinster und mal wieder zu kalt für mich. “Ich glaube schon” kommt es selbstbewusst zurück und sie zeigt mir ein Foto der Milchstrasse. “Mhm, ich kenne Dein Display nicht, zeig mal das Histogramm.”

Histogramm
Histogramm des Nacht-Fotos

Gerade in der Nacht kann man sich nicht auf das Display der Kamera verlassen. Meist wird einem das Bild viel zu hell vorkommen, obwohl es vielleicht unterbelichtet ist. Ein Blick auf die Helligkeitsverteilung zeigt dann ein neutrales Ergebnis. Als Daumenregel gilt: Ein Histogramm sollte immer möglichst breit sein und bis an den rechten Rand gehen. Anhand von ein paar Beispielen verdeutliche ich das.

So funktioniert das Histogramm in einer Kamera

Schauen wir uns zunächst ein einfaches Foto an. Das Gasthaus in der Felswand am Morgen. Wir haben weissen Schnee, der in der Sonne liegt, helle Wolken, aber auch Felsen und Bäume im Schatten. Also einen sehr hohen Dynamikumfang. Es ist schwer nur mit dem Kameradisplay zu entscheiden, ob die Wolken noch Struktur enthalten und nicht ausgebrannt sind, bzw. umgekehrt, ob der Wald im Schatten noch nicht ganz schwarz ist.

Aescher Wildkirchli in der Schweiz
Gasthaus Aescher Wildkirchli in der Schweiz
Histogramm Kamera
Histogramm vom Gasthaus

Das Histogramm zeigt einem eben dies. Auf der linken Seite sind die dunklen Elemente im Bild und auf der Rechten die hellen Elemente. Hier schön zu sehen an dem hellen Himmel, der als blauer Peak im Histogramm angezeigt wird. Das Histogramm berührt den rechten Rand, irgendetwas ist also überbelichtet, aber nur eine kleine Fläche. Am Histogramm kann ich jedoch nicht erkenne, wo im Bild diese Überbelichtung ist.

Betrache ich das Foto kritisch, dann komme ich schnell darauf, dass es der Schnee in der Sonne sein wird. Das muss nicht schlimm sein, denn auch live sehe ich den als komplett weiss. Aber mit dem Histogramm kann ich eine bewusste Entscheidung fällen.

Histogramm und Überbelichtungswarnung – Man braucht beides!

Die meisten Kameras erlauben es eine Überbelichtungswarnung zu aktivieren.  Je nach Kamera kann man sich diese für die hellen und dunklen Bereiche anzeigen lassen. Auch in Lightroom kann man diese aktivieren, in dem man auf die kleinen Dreiecke neben dem Histogramm klickt (Entwicklungsmodul). Damit ist es einfach möglich, mit einem Blick zu erkennen, welche Bereiche im Foto über-/unterbelichtet sind. Kleine Bereiche in den Wolken, die Sonne oder Reflexionen der Sonne sind dabei meist akzeptabel.

Merke: Das Histogramm in der Kamera wird aus einem JPG ermittelt.

Wichtig ist auch zu wissen, dass nur das Histogramm des JPGs angezeigt wird, auch wenn man mit RAW arbeitet (die RAW-Datei enthält ein JPG für die Anzeige auf dem Display). In Wirklichkeit hat man also, je nach Kamera, ein wenig Puffer.

Der Screenshot zeigt die Anzeige der zu dunklen Bereiche in Lightroom. Hier habe ich bewusst akzeptiert, dass der Vordergrund zur Silhouette wird – quasi zum Scherenschnitt. Nur so ist es möglich gewesen, die krassen  Farben des Himmels einzufangen ohne ein HDR zu machen. Das Beispiel zeigt auch, dass der Himmel eben nicht überbelichtet ist (sonst wären die entsprechenden Stellen rot markiert).

Histogramm verstehen
Histogramm verstehen

Das Histogramm bei Nebel

Je breiter das Histogramm ist, desto besser – diese Faustformel gilt nur bei normalem Tageslicht. Eine Nebel-Situation ist dadurch geprägt, dass man wenig Kontrast hat. Das sieht man auch am Histogramm. Dabei hast Du als Fotograf die Wahl, das Histogramm nach rechts oder links zu verschieben und das Foto damit heller/dunkler zu machen.

Histogramm im Nebel
Histogramm im Nebel
Nebel an der Downhill MTB
Downhill MTB bei Nebel

In der Nachbearbeitung ist es möglich, dieses Histogramm “in die Breite zu ziehen”. In dem Du an den Lichter- und Tiefen-Reglern ziehst wird der Kontrast erhöht – aber es geht auch ein wenig die Nebel-Stimmung verloren.

Das halbe Histogramm gibt mehr Stimmung

Wenn die Sonne noch nicht oder nicht mehr da ist, dann ist meist ein Histogramm gefragt, dass nur bis maximal 3/4 nach rechts geht. Andernfalls geht die Stimmung häufig verloren. Dieses Foto aus der Lüneburger Heide im Morgengrauen ist vor Sonnenaufgang aufgenommen. Wenn ich hier die Belichtung hochziehen würde, dann hätte ich zwar ein ausgefülltes Histogramm – aber eben keine Morgengrauen-Stimmung mehr.

Lüneburger Heide bei Nebel
Lüneburger Heide bei Nebel
Histogramm Kamera bei Nebel
Histogramm Kamera bei Nebel

Die Anzeige zeigt auch deutlich, dass nur die blauen Anteile vom Himmel hell sind. Der Rest ist dunkel.

Das Histogramm im Fotostudio

Im Fotostudio ersetzt das Histogramm den Belichtungsmesser. Der einfache Trick ist: Eine Testaufnahme von Haut zu machen, z.B. einer Hand: Dabei die Hand formatfüllend fotografieren, so dass sie das Bild komplett! ausfüllt. Das Foto muss dabei nicht fokussiert sein, es geht nur um die Helligkeit. Dann kann anhand der Anzeige festgestellt werden, ob die Haut korrekt belichtet ist.

Bodybuilder Muskeln fotografieren in Schwarzweiss
Bodybuilder Muskeln fotografieren in Schwarzweiss

Auch während der Session ist dies wichtig, insbesondere bei Ganzkörper-Fotos. Die Person vor der Kamera bewegt sich und schnell kommt sie mal zu dicht an einen Blitz und hat ausgebrannte Stellen an der Haut. Das Histogramm, bzw. die Überbelichtungswarnung, zeigt einem dies auch “im Eifer des Gefechts”. Das Beispiel verdeutlicht das: Bertrand vor einem weissen Hintergrund.

Das Histogramm zeigt einen grossen ausgebrannten Bereich (den Hintergrund). Es ist somit nicht möglich, zu erkennen, ob auch Reflexionen auf seiner Haut ausgebrannt sind. Ich muss daher die Überbelichtungswarnung verwenden – oder ganz nah rangehen, so dass ich nur noch Haut in einem Test-Foto habe.

Der Artikel zum Thema Zelt in der Nacht fotografieren vertieft das Thema.

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Stephan Wiesner
18.09.2021
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