Unterwegs – Bilder von der Autobahn

Eine Story von Ulrich Witt
19.10.2023

In dieser Story

Der Zufall liefert einem manchmal die spannendsten Inspirationen. So auch in diesem Fall.

Familiär bedingt bin ich häufig auf dem niedersächsichen Teil der A7 unterwegs, allerdings in der Regel als Fahrer. Einmal jedoch durfte ich den Luxus genießen gefahren zu werden, und das auch noch bei schönstem Wetter. Ich genoss vor allem die Situation und nahm irgendwann irgendwo grob in der Gegend von Soltau meine Kamera zur Hand und begann, ein wenig “herumzuknipsen”. Als Equipment hatte ich zum Glück meine großte Tasche dabei, zu der damals neben meiner Sony a6500 noch das Tamron 17-70/2.8, das Sony 70-200/2.8 dabei und drei kleine Festbrennweiten (unter anderem das Sony 85/1.8) gehörten

Es waren die typischen Bilder, die man sich in solchen Situationen “erknipst”: die Frau beim Fahren von der Seite, vorausfahrende Autos, die Autos hinter einem (durch den Seitenspiegel) und so weiter. Irgendwann fiel mir auf, dass sich insb. bei den Bilder, die ich nach links und rechts gemacht hatte, interessante “Mitziehereffekte” ergaben. Aber nicht nur das: ich stellte fest, dass es an der Autobahn viele “durchgehende Linien” gibt (natürlich die Fahrbahnmarkierungen, aber auch die Kanten der Leitplanken), die sich – wenn man es “richtig” machte – trotz längerer Belichtungszeit dennoch scharf abbilden ließen. Also begann ich, gezielter zu experimentieren.

Grundsätzlich geht es bei Mitziehern immer darum, eine gezielte Unschärfe durch eine längere Belichtungszeit zu bekommen. Da ich mich noch nicht ausreichend versiert fand, um alle Einstellungen komplett manuell vorzunehmen, entschied ich mich für den A-Modus. Der Weg die Belichtungszeit zu verlängern war dann eigentlich vorgezeichnet: ISO auf 100 fixieren und die Blende möglichst weit schließen. Im Ergebnis sollte die Belichtungszeit, so meine Experimente, nicht länger als 1/50 Sek. sein. Die besten Fotos bekam ich dann mit einer Blende zwischen 12 und 18. Sie weiter zu schließen, ergab zwar noch längere Belichtungszeiten, aber die Erschütterungen durch die Fahrt sorgte dann dafür, dass die Linien in den “Motiven” nicht mehr scharf abgebildet wurden. Bei einigen Fotos, bei denen sich den Beton-Straßenbelag fotografierte (in den hier feine Rillen gegen Aqua-Planing eingefräst waren), musste ich noch ein wenig mit der Belichtungskorrektur spielen, bekam dann aber sehr spannende syrreale, fast minimalistische Bilder. In der Nachbearbeitung musste ich tatsächlich gar nicht mehr viel an den Bildern machen. Die Bilder wurden nur minimal beschnitten und auf eine gute Linienführung hin ausgerichtet. Auch Korrekturen an Höhen und Tiefen, den Kontrasten und der Sättigung fielen gering aus.

Auf meinem Lieblingsbild aus dieser Fotosession “hat es den linken Fahrbahnrand erwischt”. Die Markierung des Fahrbahnrandes war schon im Original nahezu perfekt diagonal und der Grasstreifen, der sich links oben in der Bildecke erahnen lässt, gibt für mich einen spannende Farbkontrast zum Grau des Teers. Ob durch einen Ruckler durch das Auto oder durch eigenes “Verziehen” habe ich möglicherweise die Kamera während des Auslösens leicht nach rechts gezogen, so dass sich eine Art “neuer Strukturebene quer zur Fahrtrichtung” ergibt.

Für mich war diese – eigentlich eher zufällig zustanden gekommene – “Fotosession” in gewisser Weise auch ein Aha-Erlebnis. Bis dahin waren meine Fotos “trotz künstlerischem Bemühens” vielfach doch eher vom Gedanken geprägt, “den Moment festzuhalten”. Auch wenn sie (zumindest für mich) ästhetisch ansprechend waren (und sind), waren sie doch irgendwo “realistisch-dokumentatorisch”. Dieses Feld zu verlassen hatte ich mich bis dahin nicht getraut, vielleicht auch weil meine Erwartungen an mich mit Blick auf das Ergebnis, das dabei hätte entstehen sollen, zu hoch waren. Aber bei meinen ersten Bildern, die ich hier während der Fahrt schoss, hatte ich keine “ästhetische Erwartung”. Es waren “lustige Knipsbilder”. Aber vielleicht gerade WEIL ich keine Erwartungen hatte, war ich offen dafür, jenseits der Regeln die Schönheit zu suchen. Und das mache ich jetzt öfters.

Autor:in
Ulrich Witt
Im Bereich Change Management / Personalberatung tätig aus Lübeck
Wahrscheinlich am ehesten als ungewöhnlich zu bezeichnen. Unterschiedlichste Interessengebiete, zudem recht "nach-denklich" und reflektorisch
Wahrscheinlich am ehesten als ungewöhnlich zu bezeichnen. Unterschiedlichste Interessengebiete, zudem recht "nach-denklich" und reflektorisch

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Diskussionsbeiträge (1)

13.11.2023, 10:59 Uhr
Peter Ebel
13.11.2023, 10:59 Uhr
Das ist ja mal ne starke Story!
Meine Favoriten sind die Aquaplaning Rillen und die Kreuz-Muster (Was hattest du da im Sucher?)

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