Ungeduld oder “Mit Zeitoptimierung zum Scheitern”

Eine Story von Sebastian Krüger
21.11.2023

In dieser Story

Alles fing super an

Die Bedingungen für die geplante Eisenbahnfototour hätten nicht besser sein können. Auf die Frage meiner Frau zu möglichen Urlaubszielen 2022 hatte ich nur mit Orten geantwortet, die versprachen in der Nähe auch interessante Bahnfototouren zu ermöglichen. Als meine wunderbare Frau mich durchschaute, entschied sie sich für eine Woche Urlaub auf Rügen und gestand mir einen Tag gemeinsames Fahren mit dem Rasenden Roland und einen weiteren Tag für eine Fototour zu.
Als wir in Göhren ankamen versprach der Wetterbericht eine Woche mit wunderbarem Fotowetter. Wir genossen die Landschaft der größten Insel Deutschlands, wanderten am Stand entlang und machten eine Radtour zum Baumwipfelpfad bei Binz. Nebenbei beobachtete ich das Wetter und plante schon einmal grob an welchen Stellen sich ein Foto von einem der Dampfzüge lohnen würde.

Glück muss man haben

Am 12. Mai ging es dann endlich los. Das Wetter versprach zwar etwas windiger zu werden, aber dafür sollten einige Wolken durchziehen, die für einen interessanteren Himmel sorgen würden. Bepackt mit meiner Kamera, einem Stativ und einem Fahrplan fuhr ich zum ersten möglichen Fotostandpunkt. Im Kopf hatte ich mir überlegt den nach Putbus fahrenden Zug im Bahnhof Seelvitz abzulichten. Dabei hatte ich ein klassisches Bahnhofsporträt im Sinn. Also nicht nur den Zug zeigen, sondern möglichst viel vom Bahnhof (Gleisanlagen, Bahnhofsgebäude etc.) selbst.
Und tatsächlich war ich sofort beim Eintreffen von diesem kleinen Bahnhof im Nirgendwo begeistert. Es gab ein fotogenes Wartehäuschen, einen gepflegten Bahnsteig, der durch seine niedrige Höhe nicht all zu viel verdreckte, und eine Telegrafenleitung. Mein auf Nostalgie stehendes Herz schlug höher. Auch das blühende Rapsfeld versprach gut zu dem restlichen Bildinhalt zu passen. Einzig eine Freileitung störte mich ein bisschen. Aber irgendwo muss man ja immer Abstriche machen.

Die erste Probeaufnahme

Laut Fahrplan sollte der nächste Zug Richtung Putbus den Bahnhof etwa um 10:51 Uhr durchfahren, sodass ich mein Stativ zwischen durchgehendem Hauptgleis und dem Rapsfeld aufbaute, meine Kamera montierte und ganz in Ruhe den Bildausschnitt wählte. Das entstandene Bild war innerhalb einer 1/320 Sekunde gemacht und wies nur noch wenig Optimierungsbedarf auf. Niemals hätte ich unter den vorher beschriebenen Umständen daran gedacht, dass es bereits mein bestes Bild an diesem Tag sein sollte. Ihr seht es folglich als mein Zielfoto in dieser Story.

Der zweite Anlauf

Was war an dem Bild nun auszusetzen? Nach kurzer Betrachtung wollte ich auf jeden Fall den nächsten Zug abwarten, denn die Wetter-App versprach etwas weniger Wolken und die Erdrotation würde dafür sorgen, dass mehr Sonnenlicht auf die schwarze Rauchkammertür (Front) der Lokomotive fallen würde. Als netter Nebeneffekt würde eine etwas ältere Lokomotive den nächsten Zug bespannen.
Also eine Stunde warten. Gar kein Problem, da hatte ich schon wesentlich längere Zeit an Bahnstrecken verbracht. Beim nochmaligen Studieren des Fahrplans fiel mir nun aber auf, dass der Streckenabschnitt zwischen Binz und Putbus nur im Zweistundentakt befahren wird. Also zwei Stunden warten.

Nun begann es in mir zu arbeiten. Ich hatte nur diesen einen Tag und eigentlich wollte ich noch weitere mutmaßlich schöne Fotostandpunkte anfahren. Außerdem nahmen die angekündigten Windböen so zu, dass mein Stativ samt Kamera umgepustet wurde. Im letzten Moment konnte ich die ganze Konstruktion auffangen und einen Schaden abwenden.
Ich entschied mich dazu, die zwei Stunden effektiv zu nutzen und nach Binz zu fahren, um dort einen zwischen Göhren und Binz fahrenden Zug zu fotografieren.
Also raus aus dem Wind, rein ins Auto, in Binz keinen guten Standort finden, notdürftig ein kleines Video vom Zug drehen, wieder ab ins Auto, zurück nach Seelvitz, Stativ aufbauen, Kamera montieren und beim Warten auf den Zug die ganze Zeit das Stativ festhalten, damit kein zweites Malheur passiert.

Endlich fuhr um 12:53 Uhr der nächste Zug durch Seelvitz und unterbrach für kurze Zeit die ländliche Ruhe. Beim Auslösen machte mein Herz fast Luftsprünge. Nicht nur, dass die Sonne inzwischen die Rauchkammertür mehr anschien und am Himmel wirklich eine tolle Mischung aus Wolken und Blau zu sehen war, sondern als Höhepunkt wartete am im Hintergrund befindlichen Bahnübergang noch ein Trecker die Durchfahrt des Zuges ab.

Das ernüchternde Ergebnis

Tatsächlich gefällt mir das zweite Bild (ihr seht es als Bild in der Kategorie “Der Weg zum Foto”) in vielen Punkten besser:
– die ältere Lokomotive
– der schönere Himmel
– mehr Licht auf der Front der Lok
– Trecker im Hintergrund

Allerdings fiel mir erst beim Betrachten des Fotos auf, dass ich leider einen fatalen Fehler beim Auswählen des Bildausschnitts gemacht hatte und der Strommast der Freileitung am rechten Bildrand abgeschnitten ist. Außerdem hat das Rapsfeld wesentlich weniger Bildanteil, wodurch doch einiges an Farbe im Bild fehlt.

Noch einmal zwei Stunden zu warten war an diesem Tag dann leider nicht mehr drin. Also blieb mir nur, mich mit dem ersten Probebild zu begnügen.

Fazit:

Hätte ich mir mehr Zeit für das Bild gelassen und wäre ich nicht im Drang mehr Bilder zu machen, zwischenzeitlich wo anders hingefahren, hätte ich nun mein absolutes Traumzielfoto. Das ganze ist mir eine Lehre. Gerade wenn ich wenig Zeit habe, ist weniger einfach mehr.

PS: Heute erfreue ich mich trotz des “Misserfolgs” immer wieder sehr an der “Probeaufnahme”.

Autor:in
Sebastian Krüger
Elektroingenieur aus Meinersen
Christ. Eisenbahner. Hobbyfotograf.
Christ. Eisenbahner. Hobbyfotograf.

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