“Man kann nicht einfach nach Mordor spazieren!”

Eine Story von Domenic Börnicke
05.03.2023

In dieser Story

Warten und Hoffen

“Übermorgen soll endlich besseres Wetter werden!”
Wir liegen gerade in unserem Camper “Lutz” und meine Freundin schaut sich den Wetterbericht für die nächsten Tage an. Zu diesem Zeitpunkt sitzen wir bereits seit vier Tagen auf einem Campingplatz in der Nähe von Taupo fest. Bei Dauerregen. Auf 4 Quadratmetern. Warum wir uns das antun? Wir warten auf besseres Wetter für den berühmten Tongariro Crossing. Es ist die beliebteste Wanderung Neuseelands,. Normalweise tummeln sich jeden Tag mehrere tausend Menschen auf dem Track. Für mich als Herr der Ringe Fan ist die Wanderung außerdem ein absolutes Muss, denn dort befindet sich der berühmte “Schicksalsberg”. Und wer weiß, vielleicht ist ja doch noch ein kleines Stückchen vom Ring heil geblieben. 😉

Die bisher schlimmste Nacht unserer Reise

Nachdem uns im Visitor Centre noch einmal versichert wurde, dass der Track schnee-und eisfrei sei und die Wetterbedingungen für den darauffolgenden Tag gut aussehen, machten wir uns auf in Richtung Tongariro National Park. Unsere Wahl für die Nacht fiel auf einen günstigen Campingplatz in der Nähe des Tracks. Wir beabsichtigten möglichst nahe am Startpunkt zu schlafen, da wir im Dunkeln starten wollten, um so bei Sonnenaufgang die Wanderung genießen zu können. Außerdem erhofften wir uns so, den Menschenmassen zu entgehen. In der Bewertung unseres Campingplatzes erwähnten einige Leute, “sometimes you can hear a train”, also “manchmal hört man einen Zug. Nicht weiter schlimm, dachten wir uns. Wie falsch wir lagen, wussten wir zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht.
Denn anders als in den Kommentaren beschrieben, war der “train” ein riesiger Güterzug, der nicht nur “sometimes”, sondern JEDE (!) Stunde an unserem Campingplatz vorbeifuhr. Inklusive Hupen am Bahnübergang. Als unser Wecker am Morgen um 03:30 Uhr klingelte, hatten wir genau zwei Stunden Schlaf gefunden. Es war einer dieser Momente in denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Wir entschieden uns für lachen, schnappten unserer Rucksäcke und machten uns auf zur Wanderung.

Tiefe Finsternis und ein Track ganz für uns allein

Wir sitzen in Lutz und folgen der Schotterstraße zum Parkplatz des Tracks. Außer unseren Scheinwerfern ist keine einzige Lichtquelle zu sehen. Für einen kurzen Moment schalte ich die Scheinwerfer aus und wir sind umgeben von tiefer Finsternis. Kein anderes Auto, kein Haus, keine Straßenlaterne. Nur wir und die Aussicht auf eine unvergessliche Wanderung. Schon gestern hatten wir spekuliert, wie viele andere Leute die gleiche Idee hätten. Denn die ersten Shuttels, welche die Wanderer zum Parkplatz bringen sollten, kommen erst um 07:30 Uhr an. Als wir am Parkplatz eintreffen, wird unserer Frage beantwortet. Niemand! Wir sind tatsächlich komplett alleine.

Sonnenaufgang in Mordor und Aufstieg zum Gipfel

Wir machen uns also bei Minusgraden und mit Blick auf die Milchstraße auf den Weg. Die neuseeländischen Nächte sind nämlich größtenteils so frei von Lichtverschmutzung, dass man einen unglaublichen Sternhimmel genießen kann. Knapp 20 km und 800 Höhenmeter liegen vor uns. Ausgerüstet mit unseren Stirnlampen wandern wir die erste Stunde bei Dunkelheit, bis langsam die Sonne aufsteigt und die ersten Lichtstrahlen hinter den Bergen auftauchen. Nichts ist zu hören. Keine Autos, keine anderen Menschen. Nur wir beide und das Geräusch meiner Sony a6300, die versucht genau diesen Moment einzufangen.
Immer weiter geht es in Richtung “Red Crater”, dem höchsten Punkt der Wanderung. Von dort aus hat man einen spektakulären Blick über die Umgebung inklusive der “Emerald Lakes”. Der Track selbst ist gut ausgebaut und man läuft direkt am “Schicksalsberg” vorbei. Für jeden Herr der Ringe Fan ein atemberaubender Moment. Nur das letzte Stück zum Gipfel ist steiler und man muss ein wenig “klettern”.

Das Zielfoto und die typische Kiwi Gastfreundschaft

Wir erreichen den Gipfel und schauen uns um. Wir sind umgeben von Vulkanlandschaft, Bergen und einem strahlenden blauen Himmel. Mehr kann man sich nicht wünschen. Es ist der Augenblick in dem wir wissen, dass wir die Richtige Entscheidung getroffen haben. Trotz zwei Stunden Schlaf und Minusgraden. Für ca. 30 Minuten haben wir den Gipfel für uns alleine. In dieser Zeit entsteht das Zielfoto der Emerald Lakes. Es ist nicht mein schönstes oder bestes Foto aus Neuseeland. Aber es symbolisiert für mich den Höhepunkt dieser absolut unvergesslichen Wanderung.
Schließlich treffen nach und nach die nächsten Wanderer:innen ein, unter anderem drei Neuseeländer:innen, mit denen wir so gleich ins Gespräch kommen. Bereits im zweiten Satz bieten sie uns an, uns zum Startparkplatz zurückzufahren. Denn der Tongariro Crossing ist kein Rundwanderweg, sodass man eigentlich ein Shuttle buchen muss, um zurück zum Parkplatz gebracht zu werden. Wir hatten deswegen ursprünglich geplant, den selben Weg wieder zurück zu gehen.
Die Gastfreundschaft der Neusesländer:innen ist immer wieder beeindruckend, sodass wir das Angebot dankend annehmen. So können wir doch noch den gesamten Track laufen!
Nach insgesamt acht Stunden und mit schweren Beinen treffen wir am Parkplatz ein. Wie versprochen werden wir am Startpunkt abgesetzt und sitzen wieder in unserem Camper Lutz. Erschöpft aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht und mit Erinnerungen die uns keiner mehr nehmen kann.

 

Autor:in
Domenic Börnicke
Beamter aus Leipzig
Hallo, ich bin Domenic und befinde mich aktuell auf einem Sabbatjahr in Neuseeland. Dort versuche ich die schönsten Landschaften auf meinen Kamerasensor zu bannen. Natürlich mit der Zielfoto im Gepäck.
Hallo, ich bin Domenic und befinde mich aktuell auf einem Sabbatjahr in Neuseeland. Dort versuche ich die schönsten Landschaften auf meinen Kamerasensor zu bannen. Natürlich mit der Zielfoto im Gepäck.

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