Die Leica Q3 ist eine sehr teure Kamera mit fester Brennweite und steht automatisch im direkten Vergleich zur Fujifilm X100V, die nur einen Bruchteil kostet und viel mehr Funktionen hat. Was macht die Leica so speziell, wo liegen ihre größten Schwächen und sollte man sie kaufen?

Disclaimer: Ich habe die Kamera normal gekauft und selbst bezahlt. Ich nutze sie seit zwei Monaten im Alltag. Ich bin kein Leica-Fanboy und habe keine analoge Vergangenheit.

Leica Q3 Kamera im Test
Leica Q3 Kamera im Test

Gehäuse

Die erste Reaktion ist immer: “Oh, die ist aber schwer.” In der Tat fühlt sie sich schwerer an, als sie ist. Sie hat keinen Griff und besteht aus glattem Metall. Daher muss man sie gut festhalten, um sie nicht fallen zu lassen. Dazu kommt das relativ große Objektiv, das die Kamera auch noch kopflastig macht. Leica verkauft eine Daumenauflage für unverschämt viel Geld, damit lässt sie sich etwas besser halten (meine ist für 40 EUR von Amazon). Es gibt auch einen kleinen Zusatzgriff (50 EUR bei Amazon). Den Griff habe ich nur einen Tag genutzt. Zwar kann man die Kamera damit tatsächlich besser halten, aber sie wird auch noch größer und sperriger.

Die Verarbeitung des Gehäuses ist hervorragend. Auch Nicht-Fotografen entfährt beim Anblick ein “die sieht aber gut aus, die war bestimmt teuer?” Ich lasse dann immer raten und es kommt eine Preisvermutung von 2000 bis 2500 EUR. Ich schmunzle dann und nuschle etwas von “ein Tick mehr”. Den wirklichen Preis verheimliche ich, der ist mir peinlich.

Die Kamera kostet doch bestimmt über 2000 EUR?

(Nicht-Fotografen bei ihrer ersten Begegnung mit der Leica Q3)

Ein sehr schönes Detail ist der Akku: Er hat keine Plastik-Klappe wie bei anderen Kameras, sondern auf Knopfdruck rutscht er direkt aus dem Gehäuse, wie Mann das von Pistolen kennt. Ich nutze das nie, da ich die Kamera per USB auflade, aber ich zeige es jedem Fotograf und jeder! Findet das toll. Well done Leica!

Gehäuse Leica Q3
Gehäuse Leica Q3

Die Schalter und Drehregler fühlen sich hochwertig an und lassen sich präzise bedienen. Anders als bei den Kameras der Firma S aus J hat man hier kein einziges Detail, das billig wirkt oder frustriert.

Der Akku hält lange genug um irrelevant zu sein. Ich habe keinen Zweitakku und auch bei einem ganzen Tag Tierparkbesuch mit der Familie und über 100 Fotos ist nicht mal ein Viertel leer gewesen. Man könnte über USB-C nachladen.

Gehäuse Leica vs. Fuji
Gehäuse Leica vs. Fuji – Weniger ist mehr!

Sucher und Display der Leica Q3 Kamera

Der Sucher ist sehr hochauflösend und war für mich einer der Kaufgründe. Der Sucher ist das wichtigste Teil der Kamera! Leider hat die Kamera keinerlei Augenmuschel. Bei Sonne ist man also geblendet. Er ist für Rechts-Äugler ausgelegt, ich kann mit dem rechten Auge aber nicht gut sehen und muss das Linke nehmen. Dadurch löse ich gelegentlich eine Autofokusverschiebung mit der Nase aus und habe immer Flecken meiner männlichen Mischhaut-T-Zone (auch fettige Nase genannt) auf dem Display. Da kann Leica nichts für, stört mich aber natürlich dennoch.

Auch das Display ist hochauflösend und bei Sonnenlicht ablesbar.

Bildqualität Leica Q3 Kamera bei F2.8
Bildqualität Leica Q3 Kamera bei F2.8 – Scharf und konstrastreich bis in die Ränder

Bedienung

Die Bedienung der Leica Q3 Kamera ist sehr intuitiv. Sie hat wenig Funktionen, wenig Buttons und ein aufgeräumtes Menü. Persönlich finde ich die Bedienung vom Menü auch nach zwei Monaten noch umständlich und ineffizient. Vielleicht liegt das aber daran, dass es so komplett anders aufgebaut ist, als andere Marken. Und ich gehe nur selten ins Menü, daher gewöhne ich mich auch nicht dran. Besser wäre eine Art Q-Menü wie bei Sony und Fuji gewesen. Das hat man zwar, aber es ist im normalen Menü integriert und man muss ZWEIMAL Menü drücken, um ins Menü zu kommen und weiß dann nicht mehr, wie man zurück ins Q-Menü kommt.

Leica Q3 SonnenaufgangDynamikumfang Leica Q3 Kamera

Die Verschlusszeit kann man auf Automatik stellen oder per Drehrad vorgeben. Das nutze ich jetzt im Winter sehr viel und gerne! Es ist häufig dunkel und ich möchte eine möglichst kurze Verschlusszeit haben, aber sobald ich meine Tochter fotografiere brauche ich dann doch die 1/125. Im Menü kann man für den Automatik-Modus einen Mindestverschlusszeit vorgeben, das sollte man auch. Default ist 1/60, was für Menschen zu lang ist.

Die Blende verstellt man natürlich am Objektiv und auch hier kann man auf A schalten und damit einen A-Modus oder P-Modus bekommen.

Die Kamera braucht ungefähr 5 Sekunden, bis sie aktiv ist. In Worten: FÜNF SEKUNDEN Man gewöhnt sich an, sie beim Hochnehmen bereits anzuschalten, muss aber dennoch warten. Das spart wahrscheinlich Strom, frustriert aber gelegentlich. Ist sie mal an, dann dauert es weniger lange, sie hat also eine Art Standby und ein echtes Ausschalten, dass erst nach ein paar Minuten aktiv wird.

Hauttöne Leica Q3 Kamera
Hauttöne der Leica Q3 Kamera neigen etwas zu Magenta (AWB)

Autofokus

Der Autofokus ist ungefähr auf Niveau von Fuji vor… vielen Jahren. Das kann man einfach nicht schön reden. Der Augenautofokus bei Menschen funktioniert gut – bei Tageslicht und mit willigen Models. Bei Menschen in Aktion (z. B. meiner den Weihnachtsbaum schmückenden Frau) ist er zu unzuverlässig für die Praxis. Nach ein paar Tagen habe ich ihn aufgegeben und nutze statt dessen den Punkt. Leider habe ich keinen Joystick und muss ihn mit den Wipptasten verschieben. Das geht, ist aber langsam und frustrierend. Man könnte ihn mit dem Finger setzen, aber nicht wenn man durch das linke Auge schaut.

Der Punkt-Autofokus ist Okisch, wie der Wiesner sagen würde. Auch hier habe ich aber viel Ausschuss, wenn ich Kind in Aktion fotografiere (cont. Autofokus). Die Serienbildgeschwindigkeit ist niedrig und aufgrund der langsamen Schreibgeschwindigkeit sowieso nicht zu empfehlen.

Autofokus Leica Q3 - Gesichtserkennung
Autofokus Leica Q3 – Gesichtserkennung funktioniert häufig nicht

Das Objektiv

Leica hat sich für ein 28 mm F1.7 Objektiv entschieden. Meiner Meinung nach wäre 2.0 besser gewesen. Dann wäre die Kamera deutlich kleiner und würde evtl. in die Jackentasche passen. Persönlich nutze ich es nie auf 1.7 und habe 2.0 fest voreingestellt. Die Fotos zeigen den (überraschend geringen) Unterschied vom Bokeh zwischen F1.7 und 2.8.

Bokeh Leica Q3 Objektiv bei F1.7Bokeh Leica Q3 Objektiv bei F2.8

Die Bildqualität ist dafür hervorragend. Offenblendig bereits scharf bis in die Ränder, ab 2.0 gibt es dann nichts mehr zu meckern. Auch die Vignette ist erstaunlich gering für so ein kleines Objektiv.

Flares sind nicht sonderlich gut kontrolliert, aber das gehört zu Leica dazu, wie ich gelernt habe.

Schärfe Leica Q3 Objektiv bei F1.7Schärfe Leica Q3 Objektiv bei F2

Die Vergleichs-Fotos sind zugeschnitten und freihand aufgenommen.

In dem Artikel zum Thema Fotografieren mit 35 mm gehe ich ausführlich auf die Vor- und Nachteile von einem 28-35mm Objektiv ein.

Bildqualität

Die Leica Q3 Kamera nutzt (vermutlich) den 60 MP Sensor von Sony. Der ist hervorragend und man erhält die gleiche Bildqualität wie in einer Sony A7RV. ISO-Rauschen ist gering, der Dynamikumfang hoch. Leider hat Leica sich für die 60 MP entschieden, aber dann einen extrem langsamen Chip verwendet, um die Daten zu schreiben. Macht man mehrere Fotos in Serie, dann… wartet man. Und wartet. Und drückt auf die Play-Taste und wartet noch mal. Da wurde an einem günstigen Detail gespart und erzeugt extremen Frust. Wer nur andächtig ein einzelnes Foto schießt merkt das natürlich nicht. Aber wer Menschen fotografieren will… wartet.

Flare Leica Q3 Objektiv
Flare Leica Q3 Objektiv

Ich nutze den Sensor im 33MP Modus. Dafür werden Pixel kombiniert. Das geht ohne erkennbaren Qualitätsverlust und 33 sind mehr als ich brauche. In der Theorie kann man mit der Kamera mehrere Zoom-Stufen nutzen und mit dem 28 mm Objektiv 50 mm nutzen. Das ist aber eine Mogel-Packung und nur ein digitaler Zoom. Man bekommt dennoch die 28 mm RAW-Datei. In Lightroom wird aber der ausgewählte Crop angezeigt, den man später noch ändern kann. JPG-Fotografen erhalten allerdings tatsächlich die zugeschnittenen Dateien.

Der “Zoom” ist nur ein digitaler Crop. Die RAW-Datei ist davon unverändert, man bekommt immer 28mm Bildausschnitt.

Der Sensor neigt leider zu Rolling Shutter Effekten. Hätte die Leica einen eingebauten ND8 Filter wie es die Fuji hat, wäre das egal. Hätte sie einen sehr schnellen mechanischen Verschluss wäre das auch egal. Hat sie aber beides nicht und daher kann man bei Sonnenlicht nur bedingt offenblendig arbeiten. Ich habe immer einen ND8 Filter griffbereit in der Kameratasche.

Autoweissabgleich Leica: 8900KAutoweissabgleich Sony: 6150K

Bildqualität und Leica-Look?

Die Kombination aus dem guten Sony Sensor mit dem Leica Objektiv verspricht hervorragende Bildqualität und da überzeugt die Kamera in der Tat. Einen “Leica-Look” bekommt man aber nur im Gesicht des Partners, wenn man den Preis nennt, wie mir ein Zuschauer humorvoll geschrieben hat.

Die Leica Q3 Kamera hat ein großes Problem: Den Weißabgleich. Ein Zuschauer hat geschrieben, das wäre Absicht und würde einen Retro-Look erzeugen. Mag sein, ist dennoch falsch. Einige haben mir geschrieben, sie hätten diesbezüglich Kontakt mit Leica gehabt, die sich aber stur stellen.

Fakt ist: Die angezeigten Werte in den RAW-Dateien sind mehrere Tausend! K daneben. Wer also Lightroom Preset nutzt, die auch den WB setzen, muss sie anpassen. Das wäre noch egal, wenn die angezeigten Farben stimmen würden. Tun sie aber leider auch nur selten. Ich hatte vor, die Kamera überwiegend mit JPG zu verwenden, habe das aber längst abgeschaltet. Den WB muss ich bei fast jedem Foto deutlich anpassen. Das Landschaftsfoto oben zeigt die Sony A7C mit 28mm vs. Leica Q3. Beide mit AWB. Während die Sony realistische 6150K anzeigt, behauptet Leica es wären 8900K. Egal welchen Farblook man mehr mag, 8900K ist doch etwas sehr viel.

Entsprechend habe ich auch keinen Leica-Look, sondern stelle mir meinen gewohnten “Sony-Look” ein, den ich bei Sony out of camera bekomme. Das Foto von Heidi zeigt den Automatischen Weissabgleich in einer Mischlicht-Situation und im Vergleich den Wert, den Lightroom mir gibt, wenn ich den WB vom weißen T-Shirt nehme. Bunte Lampen im Hintergrund und Tageslicht von Kamerarechts. Das T-Shirt und die Wände sind Wirklichkeit weiß, nicht gelb.

Weissabgleich Leica Q3 KameraWeissabgleich Leica Q3 Kamera

Leica Looks per App

Mit der App kann man sich ein paar Leica Looks installieren. Diese werden nur auf die JPG-Dateien angewandt. Anders als bei Fuji gibt es sie nicht in Lightroom. Persönlich habe ich noch keine Situation gefunden, in der ich sie attraktiv finden würde, aber wer mit einer Leica aufgewachsen ist sieht das evtl. anders.

Die Leica App

Handy-Apps für Kameras nutze ich nicht, weil sie nie richtig funktionieren. Über viele Jahre hat sich da ein starker Frust aufgebaut und es kann sein, dass es inzwischen besser geworden ist. Die Leica App hingegen funktioniert einfach. Die Verbindung klappt ohne Ausnahme bei jedem Versuch. Die Kamera bezieht über das Handy die GPS Informationen, auch das klappt sehr gut. Die App erinnert mich immer an die Tesla App (funktioniert immer und ist sinnvoll) gegenüber der Audi App (funktioniert manchmal und bietet kaum Funktionen). Well done Leica!

Fazit – Test Leica Q3 Kamera

Die Leica Q3 Kamera überzeugt mit hervorragender Kombination aus Sensor und Objektiv. Die Bildqualität ist entsprechend gut. Als immer dabei Kamera ist sie hingegen nur bedingt geeignet. Während eine Fuji X100V bequem in die Tasche einer Winterjacke passt, ist das mit der Leica nicht mehr möglich. Da sie so extrem teuer ist, traue ich mich auch nicht immer, sie mitzunehmen (Stichwort Weihnachtsmarkt). Die Bedienung ist eine Mischung aus erfrischend minimalistisch (positiv) und langen Wartezeiten. Der Autofokus liegt weit hinter dem aktuell üblichen.

Damit ist die Kamera nur bedingt als Immer-dabei-Familienkamera geeignet. Andererseits wäre eine Sony A7RV (gleicher Sensor) mit dem GM 24 oder 35 mm Objektiv auch sehr teuer und deutlich größer. Eine sehr gute Alternative kann aber die Sony A7CR (gleicher Sensor) mit dem 28mm F2.0 sein. Das Objektiv ist zwar nicht ganz so gut, aber dennoch gut und der AF ist einer der besten aktuell verfügbaren. Die Bildqualität wird man nur in der 100% Ansicht unterscheiden können. Die Sony kommt aber nicht mal in die Nähe des Suchers der Leica.

Leica Q3 vs Fujifilm X100T
Leica Q3 vs Fujifilm X100T

Die Fuji X100V Kamera hingegen hat einen eingebauten ND8 Filter, der sehr nützlich ist. Man bekommt zahlreiche und sehr attraktive Looks in JPG UND RAW. Der Autofokus ist besser, die Kamera ist deutlich kleiner und leichter. Man bekommt eine gute Bildqualität, die aber nicht an die Leica ran kommt. Die Möglichkeit Freizustellen ist deutlich geringer (entspricht F2.8 an Vollformat). Den Effekt sollte man nicht unterschätzen. Mit Weitwinkel kann man nur freistellen, wenn man sehr nah kommt… was sich Hobby-Fotografen aber häufig nicht trauen. Dann sind 1.5 Blenden Unterschied sichtbar. Das ISO-Rauschen ist aufgrund von Sensor und Objektiv bei der Fuji deutlich höher.

Letztlich ist die Leica auch ein Schmuckstück. Eine Rolex Uhr kauft man auch nicht, weil sie “besser” wäre als eine Casio. Die Leica ist außergewöhnlich hochwertig verarbeitet und es macht einfach Spaß, sie in die Hand zu nehmen, anzuschalten und durch den Sucher zu schauen. Da die Kamera relativ wenig Funktionen hat, kann man sich voll aufs Fotografieren konzentrieren. Sie gibt einem automatisch das Gefühl “ein richtiger Fotograf” zu sein. Das gelingt der Fuji X100V auch (einer Einsteiger-Sony aber nicht).

Die Leica App ist überraschend gut und nützlich (GPS Daten). Wer ohne Computer unterwegs ist kann die Fotos leicht aufs Handy ziehen.

Am Ende des Tages zählen das Erlebnis Fotografie und die Bildqualität. Beide sind herausragend. Dazu ein relativ kompaktes Gehäuse. Lediglich ausreichend Geduld für die langen Wartezeiten beim Schreiben sind unnötig und frustrierend.

Lesenswert: In dem Artikel zum Thema Fotografieren mit 35 mm gehe ich ausführlich auf die Vor- und Nachteile von einem 28-35mm Objektiv ein.

Leica Q3 Sonnenaufgang
Leica Q3 Sonnenaufgang
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Stephan Wiesner
20.12.2023

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