Die Magie von 35mm in der Fotografie (oder 28?)
Warum fotografieren so viele Fotografen mit 35mm?

Ein 35mm Objektiv gilt als die klassische Reporter-Brennweite – und das ist auch schon der Punkt! Du möchtest Deine Freunde, Kinder, Nachbarn in ihrer Umgebung fotografieren? Einen Mann bei der Arbeit, das Portrait von einem interessanten Beruf oder ein Zeitgeschehen festhalten? Dann ist der 35 mm Bildausschnitt perfekt dafür geeignet!

Hinweis: Ich spreche hier ausschliesslich von Vollformat-Brennweiten. Bei einer APS-C Kamera muss man entsprechend umrechnen (23mm an APS-C entspricht ungefähr 35mm an Vollformat).
Was ist die beste Festbrennweite: 24, 28 oder 35mm?
Die wichtige Lektion ist: Fill the Frame! Fotografiere die Person also möglichst formatfüllend, wenn es um die Person gilt und du sie entsprechen hervorheben möchtest. Das Foto “Heidi (bei uns im Wohnzimmer)” erfordert einen anderen Bildausschnitt als “Unser Wohnzimmer (und Heidi)”. Die Vergleichsfotos zeigen den Unterschied. Die Kamera-Einstellungen sind identisch (Leica Q3 bei F2.0).
Die Magie eines 35mm Objektivs kommt nur dann zum tragen, wenn du Format füllend fotografierst!


Mit einem 24mm Bildausschnitt kann man sehr interessante Fotos erstellen, aber es kommt zu einer starken Verzerrung, wenn man nah am Geschehen ist. Das muss man kreativ ausnutzen, sonst wirkt es nicht. Bei Personen erfordert es auch Mut, nah genug zu kommen. Dadurch kann eine intensive Intimität entstehen.


Die Vergleichsfotos zeigen den Unterschied 24mm vs. 35mm. Bei 35mm bin ich einen grossen Schritt zurück gegangen. In den meisten Fällen kann man sich einfach ein wenig bewegen und irgendeine Brennweite zwischen 24 und 35 nehmen. Wer genau hinsieht, dem fällt aber die stärkere Verzerrung von Heidis Gesicht bei 24mm auf. Meistens wird man das nicht wollen und sollte lieber einen Schritt zurück gehen.
Wenn du Putin fotografieren dürftest. Würdest du dich trauen ihm die Kamera direkt ins Gesicht zu halten? Maximal 50cm entfernt?
Ein 35 mm ist am einfachsten zu verwenden. Man kann etwas mehr Abstand halten und die Verzerrung ist nicht mehr ganz so stark. Es ist aber weit genug, um die Umgebung zu zeigen. Ein Promi in seinem Anwesen, ein Politiker umringt von seinen Personenschützern, eine Demonstration, ein Hooligan der gerade eine Flasche schmeisst. Und natürlich deine Kinder beim zeichnen, spielen oder basteln. Das einzige Problem mit einem 35 mm Bildausschnitt ist: Dein Wohnzimmer ist wahrscheinlich zu klein für die volle Wirkung. Der Bildausschnitt ist zwar weit, aber im privaten Umfeld häufig nicht weit genug.
Übrigens hat auch ein 50mm Objektiv noch eine leichte Verzerrung, wenn man nah genug kommt. In dem Video mit dem provokanten Titel zeige ich die Wirkung und erkläre wie man das nutzen kann.
Bleibt noch das 28mm. Es ist am flexibelsten, deswegen ist es auch der Bildausschnitt den Apple für die Hauptkamera vom iPhone verwendet. Insbesondere für den privaten Gebrauch ziehe ich es dem 35er vor. Dort traue ich mich, nah zu kommen und die Fotos werden noch ein wenig intensiver!
Ist ein F1.4 Objektiv wirklich besser als ein F2.0?
Ein 35mm Objektiv kann man in F1.4 oder 1.8 bzw. 2.0 kaufen. Lohnt sich der hohe Aufpreis für die 1.4er Lichtstärke wirklich? Janein. Privat würde ich sagen: Die stört sogar! Sieht man den Unterschied? Ein wenig. Hast du als Fotograf mehr Freude an den Bildern? Ja. Gibt es dafür mehr Ooohhhs und Aaahs im Familien-Chat? Nein. Nimmst du das große, schwere Objektiv häufig mit? … nein!
Das Bild zeigt Heidi mit 24mm aufgenommen. Einmal mit Blende 1.4 und dann mit 1.8. Wie viel EUR genau ist der Unterschied noch mal wert?


Deutlicher wird der Unterschied zwischen 1.4 und 2.8. Und man darf nicht vergessen, dass teurere Objektive meistens auch ein schöneres Bokeh haben, schärfer sind, etc. Freistellen ist nur ein kleiner Teil der Portrait-Fotografie (eigentlich der unwichtigste).


Ein 2.0 Objektiv wie das Sony 28mm F2.0 ist eigentlich perfekt. Es ist klein, bezahlbar und an der kleinen Sony A7C Kamera bei mir immer griffbereit. Die Kombination ist bei mir mit weitem Abstand die am meisten genutzte im privaten Umfeld.
“Gut genug und immer dabei” ist besser als “perfekt, aber daheim im Schrank”.
Objektiv-Empfehlungen
Für Sony empfehle ich das Sony 28mm F2.0 oder das Sigma 35mm F2.0 Objektiv. Das Canon 35mm F1.8 bietet ein wenig Makro-Feeling und wird z. B. von Chris Kaula gerne für Nahaufnahmen eingesetzt. Nikon hat mit dem 35mm F1.8 ein überraschend großes Objektiv das gut, aber nicht überragend ist.
Und dann ist da noch die Leica Q3 mit fest eingebautem 28mm F1.7. Ein überragendes Objektiv, dem es aber gut getan hätte, wenn es F2.0 wäre (und entsprechend kleiner).

Fazit zum Fotografieren mit 35mm
So ein Objektiv ist nur dann wirklich interessant, wenn du dich traust den Frame zu füllen! Nutze die Verzerrung kreativ. Und nicht vergessen: Nicht jedes Foto muss verzerrt oder freigestellt sein!
Zum Schluss noch: Eine 35mm Festbrennweite zwingt dich anders zu fotografieren als mit einem Zoom. Das kann frustrieren, meistens macht es aber mehr Spass und darum sollte es bei der (privaten) Fotografie doch an erster Stelle gehen, oder?
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