“Ich darf mich selber hübsch finden!”

Eine Story von Jonas Kliegel
17.03.2023
Verwendetes Equipment: Canon EOS 700d, Tamron SP 45mm f1.8 Di VC USD

Die Anfrage

Als Sprachnachricht kam von Laura 2020 die Anfrage, ob ich mir vorstellen könne, sie und ihre aktuell starke Neurodermitis zu porträtieren. Lange überlegen musste ich nicht und habe es sofort als die Ehre angesehen, die es letztendlich auch war.
Eine Person, die mit ihrer Haut, dem sichtbarsten Organ, so zu kämpfen hat, fragt nach Fotos von sich. Das musste eine unfassbare Überwindung für sie sein. Ob ich diesen Mut aufbringen würde?
Diese Chance wollte ich ergreifen und alles daran setzen, dass diese Bilder die schöne Frau zeigen, die sie mit oder „trotz“ ihrer Neurodermitis ist.

Meine Erfahrungen mit Peoplefotografie allgemein waren recht gering. Ich hatte mit dem obligatorischen Canon 50mm f1.8 erste Erfahrungen mit Models und natürlichem Licht gemacht. Blitzen war für mich aber Neuland.
Da wir uns einig waren, dass die Bilder einen gewissen „dokumentarischen“ Anspruch haben sollten, entschieden wir uns gegen Fotos mit available light.
Für mich hieß es in den Tagen vor unserem Termin: Gute Festbrennweite, Blitz, Stativ und Lichtformer bei Kleinanzeigen kaufen / Wiesner pauken / blitzen lernen….

Die ersten 50-100 Fotos der Session waren zwar letztendlich für den Papierkorb, aber als wir dann gemeinsam das für uns und ihre Haut perfekte Licht gefunden hatten, (billige ca. 30-40cm Softbox vor ihr hergeblitzt [Feathering]) kamen die Ergebnisse, die wir uns beide vorher nicht ansatzweise vorstellen konnten.

Das Ziel der Bilder war von vorn herein klar, das Zielfoto allerdings nicht.

Dieses ergab sich also erst aus dem Arbeitsprozess.
Ich finde diese Vorgehensweise an sich unfassbar spannend, und genieße dieses „einfach mal machen“ bei Porträtsessions total!
Für mich sind diese Bilder unfassbar wichtig, da ich schon während der Entstehung gemerkt habe, wie Laura auf die Bilder im Display reagierte. Es kam mir so vor, dass die Fotos ihr das „akzeptieren“ erleichterten.
Mittlerweile wurden die Bilder in mehreren Fachzeitschriften, Flyern und bei Krankenkassen veröffentlicht und haben Laura irgendwie die Möglichkeit gegeben, eine höhere Akzeptanz der Krankheit in der Öffentlichkeit zu generieren.
So jedenfalls ist mein Eindruck. Ich denke, dafür hat sich der Aufwand gelohnt und gelernt habe ich auch einiges.

Hier noch einmal ein kleiner Einblick aus Lauras Sicht:

Um die Bedeutung dieser Bilderreihe zu verstehen, muss man einen Teil meines Lebens kennen.

Seitdem ich ein Kleinkind bin, leide ich an der Autoimmunerkrankung Neurodermitis.
Früher hat die Erkrankung kaum mein Leben beeinflusst. Die juckenden und blutigen Hautstellen warnen schubweise nur am Hals und den Ellenbeugen. Ich hatte eine tolle Kindheit.
Im Laufe des Abiturs war die Neurodermitis verschwunden. Feiern, kurze Nächte und ein vollgepackter Kalender waren kein Problem.
Doch dann kam die Erkrankung am Ende meiner Ausbildung wieder zurück.

Sie war nicht mehr nur am Hals & den Ellenbeugen, sondern überall und so schlimm wie noch nie.
Ich habe alles versucht um die Erkrankung zu bekämpfen.
Es wurde mit jedem Monat schlimmer.
Ich lag mehrere Monate im Bett und konnte mich aufgrund des Juckreizes und der Schmerzen kaum bewegen. Im Alter von 24 Jahren war ich nicht im Stande meinen Haushalt alleine zu bewältigen. Ich fing an spiegelnde Oberflächen zu meiden, denn bei Verschlechterung der Haut sorgte ein Blick in den Spiegel für eine Panikattacke.
Ich wollte diese Krankheit nicht und fand mich selbst hässlich.
Mit jedem Monat wurde die Hoffnung kleiner, dass ich mein altes Leben zurückbekomme.
Doch dann kamen die ersten hilfreichen Medikamente auf den Markt und ich fing an mit der Erkrankung zu leben.

Nachdem ich die Fotos von Jonas gesehen habe, habe ich all mein Mut zusammengenommen und ihn gefragt, ob er auch mich fotografieren kann.
Das Fotoshooting hat so viel Spaß gemacht, dass ich meine Haut vergessen konnte.

Diese Bilder bedeuten mir unfassbar viel, weil sie mir geholfen haben mich selbst und vor allem meine Hauterkrankung zu akzeptieren.
Ich darf mich selber hübsch finden, trotz Ekzeme im Gesicht. Unter anderem darum kann ich heute auch ohne Angst in den Spiegel schauen.

Falls Interesse besteht, könnt Ihr Laura auf Instagram folgen: @kratzen_bis_es_blutet

 

Weitere Bilder

 

 

Autor:in
Jonas Kliegel
aus Kirchlengern
Ein Kerl mit zu vielen Hobbys.
-Musik machen & hören
-fotografieren
-wandern
-etc.
Ein Kerl mit zu vielen Hobbys.
-Musik machen & hören
-fotografieren
-wandern
-etc.

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Kommentare (3)

15.08.2023, 10:16 Uhr
Dietrich Annen
15.08.2023, 10:16 Uhr
Mutige Frau, tolle Fotos! Glückwunsch an Euch beide!
29.03.2023, 17:46 Uhr
Jonas Kliegel
Autor:in der Story
29.03.2023, 17:46 Uhr
Danke :) wir sind auch total happy mit den Bildern!
19.03.2023, 11:54 Uhr
Sven
19.03.2023, 11:54 Uhr
Tolle Story und Glückwunsch zum Ergebnis
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