Der Leuchtturm am Rande der Milchstraße
gefällt diese Story
gefällt diese Story
In dieser Story
Sommerurlaub mit der Familie… Natürlich hatte ich meine Kamera und ein paar Objektive eingepackt – man weiß ja nie – aber ich hatte im Voraus keine festen Fotopläne. Es ging in die Niederlande, zuerst in die Nähe von Utrecht, und schließlich für ein paar Tage nach Nes auf Ameland. Ich hatte auf Verdacht mein Nachthimmel-Objektiv mitgenommen (das Tokina 11-20 mm ƒ/2.8), in der zunächst noch abstrakten Hoffnung, am Nordseestrand bei klarem Himmel ein paar schöne Sternenfotos machen zu können. Da die Zeit mit der Familie klar im Vordergrund stand, hatte ich jedoch absichtlich nicht nach Fotospots oder “Pflichtmotiven” geschaut. Der Urlaub sollte nicht in kreativen Stress ausarten…
Am ersten Tag auf Ameland machten wir eine Bootstour zum Naturschutzgebiet vor Hollum, um Robben zu beobachten. Dabei fiel mir vom Schiff aus der markante Leuchtturm Bornrif ins Auge, der am westlichen Ende der Insel am Waldrand steht. Und irgendwie schoss mir in dem Moment die Idee in den Sinn: der Turm im Vordergrund, mit der Milchstraße darüber! Vor meinem inneren Auge konnte ich das fertige Bild praktisch schon sehen.
Also habe ich an dem Abend dann doch mal die diversen Fotoplanungs-, Sternenhimmel- und Kartenapps auf dem Handy angeworfen und die theoretischen Möglichkeiten ausgekundschaftet. Und siehe da: auf der nordöstlichen Seite des Leuchtturms, wo man stehen muss um die Milchstraße in den Hintergrund zu bekommen, befindet sich eine von Fußwegen durchzogene Dünenlandschaft. Einige Fotos im Internet zeigten dort freien Blick auf den Turm – perfekt! Die nächste Sorge war der Mond – aber auch hier grünes Licht: Monduntergang eine Stunde nach Sonnenuntergang. Schließlich sah auch die Wettervorhersage vielversprechend aus – das Zielfoto rückte in greifbare Nähe.
Am folgenden Tag habe ich mir dann eine “Foto-Auszeit” genommen und bin die 20 Minuten nach Hollum gefahren, so, dass ich rund eine Stunde vor Sonnenuntergang dort war. Leider versperrte mir ein breites Wolkenband am Horizont den Blick auf den Sonnenuntergang selbst – davon abgesehen war der Himmel jedoch wolkenfrei. So konnte ich das verbleibende Tageslicht nutzen, um mir in den doch recht unwegigen Dünen den richtigen Foto-Standpunkt auszusuchen, Kamera und Stativ aufzubauen, und schonmal die wesentlichen Einstellungen vorzunehmen. Dank Augmented Reality Funktion am Handy war ich mir recht sicher, dass, sobald es dunkel genug ist, die Milchstraße genau über dem Leuchtturm stehen würde.
Dann begann das Warten. Ein Buch auf dem Handy half mir ebenso dabei, die Wartezeit zu verkürzen, wie die mehr als zahlreichen Stechmücken. Was macht man nicht alles für ein schönes Foto… In der blauen Stunde konnte ich dafür noch ein schönes Bild vom Monduntergang mit dem letzten Abendrot mitnehmen.
Der interessante Teil des Abends begann, als das Leuchtfeuer eingeschaltet wurde und anfing, seine kreisenden Muster in den Nachthimmel zu malen. Die Optik erzeugt drei Lichtblitze etwa alle zwei Sekunden, gefolgt von rund acht Sekunden Pause, so dass sich das Muster alle 15 Sekunden wiederholt. Je dunkler es wurde, umso deutlicher zeichneten sich die Strahlen gegen den tiefblauen Himmel ab. Es war ein interessantes und herausforderndes Spiel, mit verschiedenen Belichtungszeiten und ISO-Werten das Leuchtmuster des Turms ebenso einzufangen wie die immer zahlreicher leuchtenden Sterne dahinter.
Dann war es so weit. Zwei Stunden nach Sonnenuntergang dachte ich mir: genug Lichtmalerei, wo ist die Milchstraße? Also die R7 auf 11 mm, 15 Sekunden, Blende 2,8 bei ISO 1600 gestellt und die Luft angehalten. Und siehe da: Die Milchstraße zeichnete sich auf dem Kamera-Display fast genau da ab, wo ich sie erwartet hatte – selten habe ich mich über ein erstes Fotos so gefreut! Allerdings war sie dann doch zu genau hinter dem Turm versteckt. So folgte die Herausforderung, im Dunkeln mit Stativ und Rucksack durch die holprigen Dünen rund hundert Meter weiter zu wandern und es dort noch einmal zu probieren.
Zwei Hügel weiter wurden die Mühen belohnt: das Zielfoto war im Kasten. Am Ende habe ich eine ganze Reihe von Aufnahmen gemacht, teilweise mit verschiedenen Einstellungen, denn es war durchaus nicht einfach, eine gute Balance zu finden zwischen dem Sternenhimmel im Hintergrund und dem alles überstrahlenden Leuchtturm im Vordergrund. Ich hätte gerne noch mehr Bilder gemacht, aber schließlich zogen doch immer mehr Wolken ins Bild. Zudem begann die Linse in der feuchten Abendluft dauernd zu beschlagen. Also habe ich meine Sachen zusammengepackt und bin glücklich zurück ins Hotel gefahren.
Nach meinen Erzählungen waren wir dann am nächsten Abend nochmal zu dritt am Strand vor dem Leuchtturm, und wurden dann auch mit einem farbintensiven Sonnenuntergang belohnt. So war es am Ende ein tolles Erlebnis für die ganze Familie.
Zurück zu Hause habe ich mich dann wegen der ständig wechselnder Lichtmuster des Leuchtturms dagegen entschieden, wie sonst üblich mehrere Aufnahmen zu stacken um das Bildrauschen zu reduzieren – es erzeugte einfach zu viele Artefakte. Von daher ist das Bild technisch gesehen vielleicht nicht perfekt – aber für mich persönlich ist es das Foto des Jahres. Und es sieht wirklich genau so aus, wie ich es mir knapp zwei Tage vorher vorgestellt hatte…
Diskussionsbeiträge