Route 66 – Nearly America

Eine Story von PeterTaylor
22.07.2024

In dieser Story

Ein Urlaub auf einem Sandhaufen

Im Herbst 2023 hatten wir das Bedürfnis, der hektischen Weihnachtszeit zu entfliehen und ein wenig Sonne zu tanken, um die leeren Speicher zu füllen. Eine schnelle Suche brachte ein lange vergessenes Ziel wieder auf das Radar – die Kapverden. Bisher haben wir den 6,5-stündigen Flug gescheut und uns eher im Mittelmerraum getummelt, aber die Aussichten auf die dringend benötigte Sonne und die warmen Temperaturen sind im Mare Mediterranea überschaubar.
Also haben wir in den sauren Flugapfel gebissen und haben am 19. Dezember den Weg nach Boa Vista angetreten.

Eine Kuriosität am Rande: Der Flieger landet auf dem Hinflug zuerst auf Boa Vista, um dann mit einem kleinen Hüpfer von 20min noch die Nachbarinsel Sal anzufliegen. Das heißt, dass Touristen, die auf Sal Urlaub machen einen Mini-Zwischenstopp auf Boa Vista machen. In der Zeit steigen Rückreisende nach Deutschland zu, Touristen für Boa Vista aus – fast wie mit dem Bus 🙂

Das erste, was auffällt in Boa Vista ist die karge Landschaft – es gibt wirklich nicht viel zu sehen auf der Insel. Doch später mehr dazu. Wir hatten 10 Tage in einem der 6 Hotels auf der Insel gebucht – all inclusive. Eine andere Möglichkeit hat man als Pauschaltourist nicht wirklich, da es auf der Insel nur einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb und sonst keine Lebensmittelherstellung gibt. Die Insel hat kein eigenes Trinkwasser, das muss über die Entsalzungsanlage für die 18.000 Einwohner und die Touristen gewonnen werden. Das Wasser wird dann in der Nacht mit Tanklastzügen in die Orte und Hotels gefahren. Alle Lebensmittel (bis auf die wenigen Eier, Hühner, Ziegenkäse des kleinen landwirtschaftlichen Betriebs) werden per Schiff aus Spanien importiert – das schlechte, ökologische Gewissen meldete sich hier recht laut…

Die Hotels sind demzufolge als autarke, kleine Dörfer angelegt. Man bekommt alles, was man braucht und auch Dinge, die man nicht braucht. Studienreisende sind hier eher fehl am Platz. Die einzigen Optionen, etwas Abwechslung in den Strandurlaub zu packen, beschränken sich auf geführte Touren des Reiseanbieters: Boa Vista in einem Tag oder ein Ausflug mit dem Katamaran, um Wale zu beobachten – leider war der Katamaran bei unserem Besuch kaputt und zur Reparatur. So blieb uns nur die Inselrundfahrt mit zwei Jeeps – “Inselhauptstadt”, Bergdorf, Bauernhof, Schiffswrack und zurück.

Die Erwartungen an die fotografischen Motive waren also nicht so hoch, es ging eher darum, ein wenig Inselfeeling zu bekommen. Unsere erste Station war ein kleines Dorf im Landesinneren. Auffällig waren die farbenfrohen Häuser und die vielen Kinder auf den Straßen. Da war richtig Leben in der Ortsmitte.

Nächste Station war der Bauernhof mit seinen 600 Hühnern und nicht ganz so vielen Ziegen. Respekt, wie man in so unwirtlicher Umgebung Viehzucht betreiben kann, aber auch Demut vor den harten Bedingungen, unter denen die Einheimischen hier leben müssen. Auch hier zeigte sich mal wieder, dass Zufriedenheit nicht von materiellen Dingen abhängt. Alle Menschen, die wir gesehen haben, waren fröhlich und aufgeschlossen – mit sich und der Welt scheinbar zufrieden.

Als Highlight wurde uns dann das alte Schiffswrack an der Nordküste angepriesen, bei dem es sich um ein Transportschiff aus Spanien auf dem Weg nach Argentinien handelte, das vollbeladen mit Autos an der Nordküste an der Praia Atalanta auf Gund gelaufen war. Alle Bergungsversuche waren vergebens und so liegt das Wrack noch heute an der Küste und rottet vor sich hin. In ein paar Jahren wird davon wohl nichts mehr zu sehen sein… Die Fahrt zum Wrack und zurück ist schon recht abenteuerlich, wem als Beifahrer schnell schlecht wird, sollte sich das zweimal überlegen. Die letzen Kilometer geht es auf unbefestigten Wegen und ziemlich holprig zur Küste.

Vom Schiffswrack aus wurde dann schon der Rückweg zum Hotel angetreten und ich war auf kein Fotomotiv mehr gefasst. Als wir die Wüsten-/Dünenfahrt hinter uns gelassen hatten und wieder auf festen Straßen waren, hat uns unser Guide noch eine spannende Geschichte zu den Straßen auf Boa Vista erzählt. Es gibt tatsächlich nur eine einzige, geteerte Straße. Alle anderen Straßen sind gepflastert – von Hand, mit Steinen von der Insel. Das ist immer noch die günstigere Baumethode, als den Teer per Schiff auf die Insel zu transportieren.

Als er uns das so erzählte, erwähnte er auch, dass wir gleich die sogenannte “Route 66” von Boa Vista erreichen würden – mit vier Kilometern die längste Gerade auf der Insel, benannt nach ihrem bekannten amerikanischen Vorbild. Zuerst hielt ich das für ein wenig übertrieben, aber als wir dann über die Kuppe des nächsten Hügels fuhren, bot sich uns ein atemberaubender Ausblick: die kapverdische Route 66 erstreckt sich mitten im Landesinnern tatsächlich über 4 Kilometer schnurgerade nach Süden und im Dunst der Hitze hatte ich für einen kurzen Moment das Gefühl in Amerika zu sein. Ein toller Anblick und für mich das Foto der Reise.

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Autor:in
PeterTaylor
Kfm. Angestellter aus Rheda-Wiedenbrück
Fotobegeisterterter Mensch mit Gefallen an schönen Dingen und spannenden Menschen.
Fotobegeisterterter Mensch mit Gefallen an schönen Dingen und spannenden Menschen.

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