Minimal – Maximal
In dieser Story
Prolog
Zielfoto zeigt beeindruckende Aufnahmen – entstanden mit hochpräzisem Equipment, perfekter Belichtung und aufwendiger Nachbearbeitung. Ich bin ein großer Bewunderer dieser Arbeiten!
Diese Geschichte ist anders.
Präambel
Vor einiger Zeit erwähnte ein Bekannter eine neue Spielzeugkamera von Kodak – analog, Halbformat, 110 Gramm Plastik, 22 mm Brennweite, feste Blende f/8, fixer Verschluss bei 1/100 s. Gesehen, gekauft, nicht ausgepackt. Vergessen.
Als ich mal wieder von einem Ausflug mit Top-Aufnahmen nach Hause kam – perfekte Belichtungen, alles gestochen scharf –, saß ich am Rechner und merkte: Meine Bilder sind perfekt. Zumindest für mich. Aber: einfach langweilig.
Ich erinnerte mich an die H35N, packte sie aus, musste lachen, aber fand sie irgendwie gut. Ein paar Tage später stand ich beim analogen Guru meines Vertrauens und kaufte eine Rolle Kodak Double-X (ISO 200). Ein legendärer Schwarzweißfilm, entwickelt fürs Kino, modifiziert für Kleinbildkameras – und von den großen Kinorollen von Hand umgespult.
Shooting
Messegelände. Tiefstehende Februarsonne. Absolut ungeeignete Voraussetzungen für das Spielzeug. Also: genau richtig.
Das Schöne am analogen Fotografieren ist der radikale Entzug von der unmittelbaren Belohnung. Motiv auswählen, komponieren, abdrücken. Fünf Tage warten, bis man sieht, ob überhaupt etwas Vernünftiges dabei herauskam.
Unter diesen Voraussetzungen habe ich das Titelbild dennoch für mich getroffen: meine Verlobte, für einen kurzen Hauch im Sonnenschein zwischen zwei Messehallen. Ich stehe leicht versetzt, sehe den Lichteinfall und versuche exakt den Moment zu treffen, bevor die Sonne zu hart auf ihr Haar fällt. Klick – und sofort der Blick aufs Display, das nicht da ist.
Epilog
Für mich ist das Foto ein Treffer geworden, weil ich den Moment der Aufnahme beim Betrachten des Bildes auf eine Art wiedererleben kann, wie es mir bei der digitalen Fotografie nur selten gelingt.
Um den Bogen zu schließen: Ich bin Amateur. Das heißt, selbst das beste Profiequipment ist in meinen Händen letztlich Spielzeug – denn ich benutze es in meiner Freizeit, zum Spaß. Nicht, um damit Geld zu verdienen.
Meine digitalen Fotos sehen mittlerweile „out of box“ manchmal schon so perfekt aus, dass sie auf mich fast wie KI-Kreationen wirken. Anders kann ich es nicht beschreiben. Ich nutze daher wieder vermehrt altes Glas für meine digitale Fotografie – weil mir die Fehler fehlen.
Das soll keineswegs ein technophober Beitrag sein. Moderne Fotografie ist unglaublich gut geworden. Ich finde es faszinierend, welche Möglichkeiten uns heute zum Festhalten von Momenten zur Verfügung stehen – und ich bin froh, diese Technologien nutzen zu können.
Die Bilder in dieser Story entziehen sich bewusst klassischen Maßstäben – technisch wie gestalterisch. Aber sie haben mir vor Augen geführt, dass ein aktives Zurücknehmen – in Zeiten grenzenloser fotografischer und gestalterischer Möglichkeiten – eine Form der Einkehr sein kann, die den Blickwinkel neu justiert. Ich komponiere und bewege mich wieder anders. Angepasster an die Umgebung.
Am Ende des Tages kommt es auf den Blickwinkel an –
und der verengt sich oft automatisch mit der Zeit. Der Mensch ist ein Gewohnheitsfotograf. Am Ende zählt nur eines: Es soll Spaß machen.
In diesem Sinne:
Gutes Licht – und weiter viel Freude an alle.
Diskussionsbeiträge