Hamburg in einem Bild: “Schiffe gucken”

Das wievielte Mal es in Hamburg war? Keine Ahnung. Jedenfalls kenne ich die Stadt ziemlich gut, soweit man das als Tourist von sich behaupten kann. Bei jedem Hamburgbesuch hatte ich mich fotografisch immer ein wenig weiterentwickelt. Ein Prozess, der über Jahre ging und weiter geht. Als Jugendlicher habe das klischeehafte Touri-Foto gemacht. Rathaus? Draufhalten. Fischmarkt? Klick. Reeperbahn. Bitte lächeln.

Mittlerweile fühle ich mich als ambitionierter Hobbyfotograf. Ob ich es bin, keine Ahnung. Aber das Gefühl ist jedenfalls da. Wie vor jeder Reise scrollte ich durch die Tiefen von Internet und Instagram auf der Suche nach neuen, wenig beachteten Fotospots. Ich war auf der Suche nach einem neuen Motiv, etwas mir Unbekanntem. Es sollte “boom” machen beim Anblick. Vielleicht würde ich damit zum Trendsetter eines neuen Insta-Foto-Hypes? Tja, wer weiß…

Trotz langer Suche fand ich nichts, was mich kitzelte. Natürlich tauchten viele tolle Fotos auf. Doch im Grunde waren es fast immer dieselben Motive. Elbphilharmonie bei Sonnenaufgang. Elbphilharmonie bei Schmuddelwedda. Elbphilharmonie bei …. Gibts tatsächlich keine Hamburg-Motive, die die bekannten Ecken neu in Szene rücken? Sollte die Stadt fotografisch wirklich ausgeschöpft worden sein? Sollte das alles gewesen sein? Von einer “fotografischen Krise” zu sprechen ist vielleicht etwas übertrieben. Aber einsetzende Ernüchterung trifft es ziemlich gut. Doch damit war mein Ehrgeiz gepackt.

Ich hatte meine eigene Herausforderung gefunden und angenommen: Mache ein Hamburg-Foto, dass einerseits “typisch Hamburg” ist und andererseits die Stadt neu erzählt. “Mensch”, dachte ich zwischenzeitlich, “ziemlich vermessen von mir”. Ausgerechnet mir sollte so ein Foto gelingen? Ich war skeptisch.

Im Hamburg stellte ich fest, dass es so schwer werden würde, ich es zuhause auf der Couch bereits befürchtet hatte. Egal, wo ich stand. Es war entweder langweilig, seltsam-kreativ oder eben etwas, was man so schon 100 Mal irgendwo gesehen hat. Und das manchmal sogar weitaus besser. Ich hatte meine Fototour für den Tag eigentlich schon aufgegeben, die blaue Stunde war längst vorbei. Auf einen gemütlichen Tagesabschluss fuhr ich zur Elbe, ein bisschen “Schiffe gucken”. Blick auf die Reeperbahn, eine Flasche Astra zur Hand, so lässt es sich leben.

Da kam mir plötzlich die Idee. Ich fotografiere genau das: Schiffe, Elbe, Landungsbrücken, Reeperbahn, Möwen. Alles das, was Hamburg ausmacht, in einem Bild. In einem passenden Moment drückte ich den Auslöser. Die Langzeitbelichtung hielt mein “Hamburg in one picture”-Bild fest. Eines der Ausflugsschiffe zieht faszinierend blaue Streifen durch die Nacht während im Hintergrund St. Pauli erkennbar durchschimmert. Dass zwei Hamburger bereit waren, fürs Foto sitzen zu bleiben, macht es für mich rund. Man schaut ihnen zu, beim “Schiffe gucken”. Geschafft!

Ich weiß nicht, ob mein Hamburg-Foto wirklich die Neuerfindung des Rads ist. Vermutlich nicht. Muss aber auch nicht. Ich hatte jedenfalls das erreicht, was ich wollte. Ein Bild, das eindeutig nur bei einer Hamburg-Reise entstehen kann und das trotzdem ein wenig faszinierend wirken mag. Obwohl man es gefühlt so schon 100 Mal gesehen hat.