Eine sehr traurige Delfin-Story (Thomas Hoy, Eckernförde)
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Es war auch besonders, weil sie stets und sehr verlässlich an einem festen Ort zu finden war, direkt vor unserem Eckernförder Marinehafen, ein Bereich der durch eine gelbe Tonne/Boje gekennzeichnet ist.
In den ersten Wochen & Monaten und letztlich auch durch die Berichterstattung der lokalen Presse, waren stets viele Interessierte, Schaulustige und Touristen am Gucken, anrudern, anschwimmen oder antauchen. Jeder wollte die zutrauliche Delfindame sehen, fotografieren oder am besten auch anfassen. Das führte dazu, dass ich mich entschloss eben dies nicht zu tun, obwohl ich der Meinung bin, dass ein freilebender Delfin schon in der Lage ist, sich zurückzuziehen, wenn er seine Ruhe braucht oder ihm der Trubel zu viel wird.
Im Januar 2021, die Wassertemperatur hatte gerade mal so 4°C, rief mich eine Freundin an, ob ich Lust hätte, einen Schnorchelausflug zu machen und mal bei der Delfindame vorbeizuschauen. Ja, klar, ich wusste ja nicht wie lange sie noch bei uns in Eckernförde bleiben würde und in den Wintermonaten war der Delfintourismus gänzlich eingeschlafen. Also schnell, die Tauchausrüstung, den Plastikbeutel von EWA-Marine und die Canon 7D Mark II mit dem EF-S 10-24mm eingepackt und los . . .
Das Wasser war eher trübe, kalt, aber sehr ruhig ohne nennenswerte Wellen. Obwohl die besagte Tonne nicht sehr weit vom Ufer entfernt ist (ca. 80m) und die Wassertiefe rund 15m beträgt, sahen wir von dem Delfin noch nichts. Egal – rein ins Wasser und mit ruhigen Flossenschlägen in Rückenlage Richtung gelber Tonne! Wir waren noch keine 30m weit gekommen, da stupste mich etwas in den Rücken. Ich drehe mich um, halte sofort die Kamera in Position und drücke ab – da war sie !
In den kommenden 45min. hatten wir den Spaß unseres Lebens und die Kälte war vergessen. Der Delfin düste die ganze Zeit hin und her, tauchte unter, tauchte wieder auf. Ständig kam sie von hinten an mich heran und schob sich sanft zwischen meine Beine, bis ihre Rückenflosse sprichwörtlich an meine Pobacken stecken blieb und sie mich vorne zwischen den Beinen anschauen konnte. Ich ritt quasi auf ihr, ohne sie dabei zu belasten. Dann tauchte sie wieder, düste zwischendurch zu den anderen Tauchern, die inzwischen auch im Wasser waren, um einen entspannten Wintertauchgang zu genießen. Immer wieder kam sie zu uns zurück, stupste uns an oder rieb sanft ihren Körper an unseren Neoprenanzügen. Man sollte niemals ein Meerestier anfassen, streicheln oder sonst wie berühren. In diesem Fall ging die Aktion aber stets von dem Delfin aus. Ich hatte den Eindruck, dass sie sich auch gerne an uns rieb, um sich zu kratzen, da sie einige Hautirritationen aufwies, die aber in den letzten Monaten weniger geworden waren. Wir haben sie nie aktiv angefasst oder irgendwie festgehalten, sind einfach nur passiv im Wasser umhergetrieben.
Da die Bedienung der 7D im Unterwasser-Plastikbeutel mit dicken Neoprenhandschuhe so semi-optimal funktioniert, hatte ich die Brennweite fest auf 12mm gestellt, um die Vignettierung durch den UW-Beutels zu vermeiden. Die Lichtverhältnisse an diesem Wintertag und dann eben noch Unterwasser, waren nicht so genial, also entschied ich mich für Blendenautomatik mit nur 1/250sec. und Auto ISO. Ich versuchte immer das Motiv trotz meiner schlechten Bewegungsmöglichkeit (8mm Neopren plus 5mm Eisweste = Michelinmännchen) im Fokus zu halten. Der Serienbildmodus waren natürlich obligatorisch.
Jetzt der traurige Teil der Geschichte:
Genau einen Tag nach unserem Erlebnis tickerte mich einer der anderen Taucher, die wir dort trafen und mit denen wir noch im Wasser gesprochen hatten, an. Er berichtet, dass er gerade den Delfin am Fuße der Tonne in 15m Tiefe tot aufgefunden und geborgen hätte. Er fügte auch ein kurzes GoPro Video bei, indem man den leblosen Körper gut im Seegras liegend erkennen konnte. Ein wirklich trauriger Anblick! Wie es sich gehört, haben die Kollegen die entsprechenden Behörden informiert und der Delfin wurde Tage später von Veterinärmedizinern obduziert, um die Todesursache festzustellen. Sie starb nachgewiesen an einer Lungenentzündung und einem Magengeschwür, nur wenige Stunden nach unserer Begegnung.
Ich bin dankbar, dieses Zusammentreffen erlebt zu haben, aber auch traurig, dass so ein Tier letztendlich kurz danach verendet ist. Wir konnten natürlich auch nichts dafür. Die Gründe für die Erkrankung sind mir nicht bekannt. Es zeigt aber, dass man als Mensch und in diesem Fall als Laie gar nicht einschätzen kann, wie es einem anderen Lebewesen geht. Uns kam sie jedenfalls sehr agil und dynamisch vor . . .
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Diskussionsbeiträge (1)
Servus,
interessante und zur Selbstreflexion anregende Geschichte.
Ich selbst empfinde die Geschichte nicht als traurig. Das Tier durfte bis zur letzten Minute in Freiheit leben. Sie musste nicht mitanhören, wie ihre Artgenossen sterben, wurde nicht in einer Massenhinrichtung (Schlachthof) getötet und anschließend vielleicht sogar in den Müll geworfen, weil ihr Fleisch nicht gekauft wurde.
Der Tod gehört zum Leben, da gibt es (fast) keine Ausnahmen.
Wie du schreibst, wirkte das Delfinweibchen sehr agil und dynamisch. Sie wusste möglicherweise nicht mal davon, dass sie in ein paar Stunden nicht mehr lebt.
Wenn wir Menschen achtsam(er) durch das Leben gehen würden, gebe es wahrscheinlich weit weniger Leid in dieser Welt.