Eine Mischung aus Glück und Geduld
In dieser Story


𝐃𝐞𝐫 𝐖𝐞𝐢ß𝐤𝐨𝐩𝐟𝐬𝐞𝐞𝐚𝐝𝐥𝐞𝐫
Ist der Weißkopfseeadler nicht ein majestätisches Tier? Weißkopfseeadler hatte ich zuvor nur mal im Vogelpark gesehen. Auch dort haben sie mich schon fasziniert, aber fototechnisch sind dort immer nur closeup shots möglich. Mein Traum war es, diese Tiere mal in ihrem natürlichen Lebensraum sehen, erleben und ablichten zu können.
Nachdem wir unseren Kanada Urlaub geplant hatten, wurde mir klar, dass ich dazu die Chance haben könnte. Das Verbreitungsgebiet des Weißkopfseeadlers ist zwar ganz Nordamerika, aber mir war auch bewusst, dass ein bisschen Glück zu einer Sichtung dazu gehören würde, denn so häufig wie Tauben in Deutschland kommen sie dann doch nicht vor.
Es hieß im Urlaub also … Augen offen halten. Insbesondere an der Küste oder in der Nähe von Flüssen oder Seen. Denn dort halten sich die Adler besonders gerne auf, weil Fisch eine der Hauptnahrungsquellen ist.
𝐆𝐥ü𝐜𝐤
Die erste Sichtung ließ tatsächlich auch gar nicht lange auf sich warten. Bereits an Tag 3 unserer Tour konnten wir den ersten Weißkopfseeadler sehen. Der flog allerdings während der Fahrt auf dem Highway über uns. Etwas schwierig, sich auf das Autofahren und den Adler gleichzeitig zu konzentrieren. Ein Foto konnte ich so leider nicht machen. Die zweite Sichtung war nur ein paar Tage später, als ich morgens zu Sonnenaufgang mit meiner Kamera am Emerald Lake im Yoho Nationalpark unterwegs war. Weil ich auf Landschaftsaufnahmen eingestellt war, hatte ich mein Teleobjektiv allerdings nicht direkt griffbereit und so war der Adler wieder weg, bevor ich ein Foto machen konnte.
Etwa in der Mitte unseres Urlaubs hatten wir dann Glück. Wir waren mittlerweile im Jasper Nationalpark angekommen und gerade mit dem Auto am Medicine Lake unterwegs, als ich aus dem Augenwinkel einen Weißkopfseeadler sah, der nicht weit von der Straße entfernt in einem Baum saß. Sollte das meine erste Chance für ein Foto werden? Wir suchten eine Stelle zum wenden und fuhren zurück zu der Stelle, an der ich den Adler gesehen hatte. Dort gab es einen Seitenstreifen, an dem man gut halten konnte. Der Adler saß nicht mehr in dem Baum, in dem ich ihn zuvor erblickt hatte. Suchend ließ ich meine Blicke schweifen und konnte in etwas 100 Meter Entfernung ein Nest im Gipfel eines toten Baumes erblicken. Auf den ersten Blick konnte ich nichts im Nest sehen. Also holte ich meine Kamera mit dem Teleobjektiv heraus, um das Geschehen ein wenig näher heran zu holen. Im Nest saßen tatsächlich zwei junge Weißkopfseeadler.
Großartig. Das mit dem Glück hatte schon mal geklappt. Eigentlich ein Jackpot. Denn wo zwei Junge im Nest sitzen, können die Eltern nicht weit sein.
𝐅𝐨𝐭𝐨 𝐈𝐝𝐞𝐞𝐧
Da die Eltern ihre Jungen nicht lange im Nest alleine lassen und sie von Zeit zu Zeit auch mal gefüttert werden wollen, wusste ich, dass ich mit viel Geduld vermutlich die eine oder andere Gelegenheit für ein Foto bekommen würde. Direkt schossen mir die folgenden Zielfoto Ideen durch den Kopf: Adler (mit Beute) im Anflug auf das Nest, Adler im Flug mit Wald im Hintergrund und ein Adler im Baum sitzend vor den schneebedeckten Rocky Mountains.
Die ersten beiden Ideen schienen Umsetzbar. Das Nest war so weit weg, dass es mit dem Teleobjektiv noch gut erreichbar war und auf der gegenüberliegenden Seite war ein sehr weit hoch gehender bewaldeter Hang. Es müsste also nur eine Frage der Zeit sein, bis einer der Adler seine Runden über dem See dreht und ich ihn ablichten kann. Bei der dritten Idee war ich mir unsicher. Von meinem Standpunkt aus war es nicht möglich, die Berge in den Hintergrund zu nehmen. Dafür hätte ich mitten auf der Straße stehen müssen. Dort zu warten war also keine Option. Der Adler müsste sich in den von mir gewünschten Baum setzen und dort ein wenig verweilen, damit ich die Straße ein paar Meter hinunter laufen kann, um das Bild zu machen. Das könnte schwierig werden.
Nun konnte das Spiel mit der Geduld beginnen.
𝐆𝐞𝐝𝐮𝐥𝐝
Schon nach kurzer Zeit konnte ich einer der Elterntiere ein ganzes Stück weiter unten am Ufer des Sees in einem Baum erblicken. Es ließ seine Blicke über die Wasseroberfläche schweifen und war offenbar auf der Jagd. Deutlich zu weit weg für ein Foto. Nach wenigen Minuten stürzte sich das Tier plötzlich ins Wasser, hatte aber scheinbar nichts gefangen und begann anschließend damit, über dem See zu kreisen. Dies nutzte ich direkt für mein Bild im Flug, welches ich machen wollte.
Als ich mein Auge wieder vom Sucher der Kamera entfernte, bemerkte ich, dass das zweite Elterntier nun im Nest saß. Mist. Den Moment des Anflugs hatte ich verpasst. Neben mir stand nun auch ein Kanadier, der dort in der Nähe wohnte und schon häufiger zum Fotografieren am Nest gewesen war. Er zeigte mir ein paar seiner Bilder und wir tauschten uns über die Kameraeinstellungen aus, die er für die anfliegenden Adler gewählt hatte. Ich schaltete den Serienbildmodus ein und wählte eine Verschlusszeit von 1/2000. Dann war erstmal wieder warten angesagt.
Nur einige Minuten später sah ich aus der Ferne das zweite Elterntier anfliegen. Sucher ans Auge, Nest in den Fokus und abdrücken, sobald der Adler in den Bildausschnitt flog. Perfekt, ich hatte den Moment getroffen, wo der Adler kurz vor der Landung mit weit ausgestreckten Flügeln über dem Nest schwebte. Er hatte Nistmaterial dabei, um das Nest vielleicht noch ein bisschen weicher zu machen. Nach knapp einer Stunde vor Ort hatte ich bereits zwei meiner drei Zielfotos im Kasten. Weil es so langsam draußen echt kalte wurde, entschieden wir uns erst einmal abzubrechen und am nächsten Tag wieder zu kommen.
Als wir am nächsten Tag wieder kamen, sah ich schon von weitem aus dem Auto heraus, dass einer der Weißkopfseeadler genau in dem Baum saß, in dem ich ihn haben wollte, um die Rocky Mountains in den Hintergrund zu nehmen. Da die Straße nicht besonders stark befahren war, stoppte ich das Auto mitten auf der Straße, holte meine Kamera heraus und machte einige Fotos. Die Lichtsituation war aufgrund der tiefstehenden Sonne etwas herausfordernd, aber nach ein paar Minuten hatte ich die gewünschten Bilder im Kasten. Darunter das Titelbild dieser Story.
Glücklich und zufrieden, alle Zielfotos realisiert haben zu können, traten wir an dem Abend die Rückfahrt ins Hotel an. Insgesamt verbrachten wir über die zwei Tage verteilt fast zwei Stunden an der Location. Für mich hat sich die Zeit viel kürzer angefühlt.
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