Des Vogelfotografen Liebling
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Kann man sich überhaupt Vogelfotograf nennen, wenn man kein Porträt eines Eisvogels in seinem Portfolio hat? So oder so ähnlich habe ich es mal in einem Instagram Post gelesen. Natürlich war es mit einem Augenzwinkern gemeint aber nachvollziehen kann ich den Gedanken schon. Wahrscheinlich hat so ziemlich jeder Vogelfotograf ihn auf der Agenda und vermutlich wird kein anderer Vogel deshalb öfter fotografiert.
„So fotografiere ich den Eisvogel“, „Beim Eisvogel“, „5 Tipps für die Eisvogelfotografie.“ Auf Youtube gibt es zahllose Tutorials, Vlogs und Tipps hinsichtlich Eisvogelfotografie, in allen möglichen Sprachen von allen möglichen Flecken der Erde. Kingfisher heißt er im Englischen. So unterschiedlich die Bedeutungen in beiden Sprachen auch sein mögen – klangvoll sind sie meiner Meinung nach beide.
Vielleicht ein Mitgrund dafür, warum er bei Menschen, die sich sonst gar nicht großartig für Vogelfotografie oder Vögel ansich interessieren Begeisterung auslöst. Werde ich draußen von Leuten gefragt was ich mit meiner Kamera fotografieren möchte, werden die Augen immer ganz besonders groß wenn ich sage „Eisvogel.“ „Die gibt es hier“? „Ich habe noch nie einen gesehen.“ „Ich würde so gerne mal einen sehen.“ (Nun, hätte die ein oder andere Person nur zwei Minuten länger gewartet hätte sich ihr Wunsch erfüllt.)
Zugegeben, offensichtlicher woher diese Begeisterung kommt, könnte es wohl kaum sein. Natürlich ist er nicht nur orange – blau (das alleine schon) sondern hat im blauen Gefieder noch Muster. Natürlich funkelt sein Gefieder deshalb in der Sonne und natürlich hat er nuanciert noch weiße Stellen die sich perfekt einordnen. Natürlich hat er für seine Körpergröße einen einzigartig großen Schnabel mit dem er für seine Körpergröße ziemlich große Fische fängt. Natürlich fängt er diese auf unnachahmliche Weise und natürlich hat er einen einzigartigen Ruf mit dem er sich ankündigt wenn er näher kommt – fast so als sei er sich seines einzigartigen Erscheinungsbildes bewusst und sonne sich in der Aufmerksamkeit. Eine Eitelkeit die für einen Vogelfotografen durchaus von Vorteil ist, so kann man auch mal mit seinen Gedanken abschweifen während man auf ihn wartet, er kündigt sich ja an wenn er vorbeikommt.
„Die gibt es hier“? „Ich habe noch nie einen gesehen“. „Ich würde so gerne mal einen sehen“. Hätte auch aus meinem Mund kommen können. Meinen ersten Eisvogel habe ich erst gesehen, nachdem ich mit der Naturfotografie angefangen habe. Zwei Minuten nachdem ich mit meiner Kamera bei einem See angekommen war, kam er auch schon angeflogen – als hätte er nur auf mich gewartet. Easy dacht ich mir. Ich weiß nicht mehr wie viel Zeit ich im Anschluss noch dort verbracht habe, eine weitere Aufnahme ist mir auf jeden Fall nicht gelungen.
Aber ich war angefixt, angefixt mein Porträt vom Eisvogel zu bekommen, angefixt mich Vogelfotograf nennen zu können.
Ich nehme mir also vor am nächsten Wochenende auf ihn anzusitzen. Egal wie kalt es ist, egal wie lange es dauern mag. Wobei ansitzen vielleicht etwas romantisiert klingt. Man stellt sich jetzt einen in Flecktarn gekleideten Fotografen vor, der stundenlang in seinem Tarnzelt sitzt. Tatsächlich ist der Ansitz eine Beobachtungshütte des Nabu – aber auch darin ist es kalt – und auch darin reduziert sich die Wartezeit nicht. Und so besonders bequem sind die Holzbänke jetzt auch nicht und die Sichtfenster sind auch nicht besonders groß, so das man sich teilweise echt verrenken muss….mimimi.
Am Freitag sitze ich zwei Stunden an. Nichts, nicht einmal sein Ruf war zu hören. Beim Verlassen des Ansitzes komme ich mit einem anderen Naturfotografen ins Gespräch. Er präsentiert stolz sein Eisvogel Porträt, das er erst vor kurzem aufgenommen hat – zwei Jahre hat er dafür nach eigener Aussage benötigt. Na?! Doch gar nicht so easy wie ich dachte.
Samstag 7h angesessen, wieder nichts. Definitiv nicht so easy wie es bei meiner ersten Begegnung den Anschein erweckt hat.
Ich google ob Eisvögel Zugvögel sind. Habe ich jetzt tatsächlich auf einen Vogel gewartet, der schon lange in seinem Winterquartier ist? Nein, Eisvögel sind in unseren Gefilden Standvögel, lediglich wenn das Gewässer in ihrem Revier zufriert suchen sie sich ihre Nahrung an anderer Stelle in der Nähe. Im Frühjahr kehren sie dann wieder in ihr Revier zurück. Ich kontrolliere ob der See an dem ich mich seit Stunden befinde gefroren ist, negativ. War ihm vielleicht etwas zugestoßen?
Fjip – Fjip – Fjip….es ist Sonntag, ich sitze zwei Stunden an. Der Eisvogel kündigt sich mit seinem Ruf an und fliegt in einem Affenzahn nah über der Wasseroberfläche vorbei.
Ihm ist nichts passiert, Optimismus macht sich breit. Ich visiere mit meiner Kamera den Ast an auf dem ich mir den Eisvogel wünsche und kontrolliere die Belichtungseinstellungen. 1/800 Verschlusszeit sollte ausreichen. Blende 6.3 mit einem ISO von 1250. Ein niedriger ISO wäre schön allerdings zu Kosten der Verschlusszeit. Es ist immer ein abwägen. Sollte der Eisvogel vorbei kommen und sollte er lange genug sitzen bleiben werde ich mit der Einstellung eine Reihe Fotos schießen und die Verschlusszeit eventuell anpassen.
Fjip – Fjip – Fjip, ich habe keine Zeit mir darüber weiter Gedanken zu machen, der Eisvogel landet auf dem Ast auf dem ich ihn mir gewünscht habe. Mein Puls wird schneller, die Hände werden zittrig, meine innere Stimme sagt bitte – bitte, bitte, bitte lass die lange Wartezeit nicht unsonst gewesen sein. Mir gelingt es den Eisvogel im Sucher zu finden, mir gelingt es ihn zu fokussieren, ich drücke auf den Auslöser.
Die Angst, er könne sofort weiterfliegen und ich würde gar kein Foto bekommen war unbegründet. Er zeigt sich von allen Seiten und in allen möglichen Posen, lässt den Wind durch sein Gefieder gleiten – er sonnt sich in der Aufmerksamkeit. Gut, eigentlich sucht er nur das Wasser nach Nahrung ab und trocknet sein Gefieder im Wind, aber das hätt er ja auch woanders machen können und nicht da wo eine Kamera auf ihn gerichtet ist.
Ich senke die Kamera und genieße einfach nur den Moment. Ich versuche schon seit ich mit der Tierfotografie angefangen habe nicht zu verbissen an die Sache ranzugehen. Ich erinnere mich immer wieder selbst auch mal an der Kamera vorbei zu schauen und einfach nur den Moment wahrzunehmen. Und oft genug drücke ich gar nicht auf den Auslöser und nutze meine Kamera nur um die Tiere zu beobachten.
Fjip – Fjip – Fjip, der Eisvogel verabschiedet sich. Ich kontrolliere die Bilder und mir fällt auf, dass ich in der Aufregung vergessen habe die Verschlusszeit anzupassen. Egal, ich bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.
Endlich kann ich mich Vogelfotograf nennen!
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